Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen (EpiLage-Fortgeltungsgesetz)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt über eine Stunde über die Bekämpfung der Coronapandemie gesprochen, und ich habe sehr aufmerksam zugehört, insbesondere den Worten, die die Opposition hier an die Koalition gerichtet hat.

(Beifall des Abg. Dr. Wieland Schinnenburg [FDP])

– Freuen Sie sich nicht zu früh, Herr Kollege. – Es hat mich schon ein bisschen erstaunt und – das will ich auch sagen – an der einen oder anderen Stelle erschüttert, dass es dort einen roten Faden gab, der sich durch so ziemlich alle Argumentationen der Oppositionsfraktionen gezogen hat.

Was mich jetzt nicht erstaunt hat, war, dass die AfD wieder von Komplettversagen gesprochen hat, dass sie uns vorgeworfen hat, man würde hier ein Ermächtigungsgesetz schaffen. Dazu haben wir an anderen Stellen schon gesagt: Wer in diesem Zusammenhang von „Ermächtigungsgesetzen“ spricht,

(Enrico Komning [AfD]: Das hat heute keiner gesagt! – Martin Hohmann [AfD]: Nur Sie haben das gesagt!)

wer auf die NS-Diktatur anspielt, der disqualifiziert sich selbst, meine Damen und Herren. Dazu braucht man nichts weiter zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dass Die Linke an dieser Stelle von der Verletzung des Demokratieprinzips spricht, ist etwas, das man an dieser Stelle nicht anders erwarten muss.

Dass die FDP an dieser Stelle sagt, der Deutsche Bundestag sei nur noch ein Abnickorgan, dazu muss ich, Herr Kollege, sagen: Sie halten hier sonst gute Reden und sind auch sonst gut in Ihrer Argumentation, aber ich glaube, das war unter Ihrem Niveau.

Was mich dann schon noch ein bisschen gewundert hat: Die Grünen haben in der Vergangenheit doch sehr konstruktiv an diesen ganzen Dingen mitgewirkt. Aber wenn man jetzt von autoritären Ansagen spricht, wenn man davon spricht, dass es an demokratischer Legitimation fehlen würde, wenn man fragt: „Wo ist die gesetzliche Grundlage?“, und hier in den Raum stellt, dass die Maßnahmen, die wir in den letzten Wochen besprochen haben, nicht legitimiert seien, dann muss ich mich schon fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Wo waren Sie eigentlich heute, als wir eine Stunde über dieses Thema diskutiert haben? Wo waren Sie gestern bei der Regierungserklärung? Wo waren Sie bei den vielen Debatten, die wir hier im Deutschen Bundestag, in den Ausschüssen und in vielen Kommissionen miteinander geführt haben, wo wir genau über diese Fragen gesprochen und die demokratische Legitimation sichergestellt haben?

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Schwachsinn?)

Ich glaube, Sie müssen sich noch einmal genau anschauen, was wir gemacht haben. Wir als Deutscher Bundestag haben die Zügel ganz fest in der Hand. Bei dem, was wir heute machen und was wir im letzten November gemacht haben, als wir § 28a Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht haben, geht es darum, dass die wesentlichen Entscheidungen, die uns das Bundesverfassungsgericht mit dem Kollegen Stephan Harbarth als Präsident aufgetragen hat, wir als Deutscher Bundestag, wir als Parlament selber treffen. Und wir machen das genau so, wie die Verfassung das vorsieht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir treffen hier im Deutschen Bundestag die wesentlichen Entscheidungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Die Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):

Sehr gern.

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, Sie haben gesagt, die wesentlichen Fragen werden hier im Deutschen Bundestag besprochen. Halten Sie die Frage der Impfpriorisierung für eine wesentliche Frage, die der Deutsche Bundestag entscheiden muss? Es wurde vorhin in den Reden angesprochen: Wir reden jetzt zum Beispiel demnächst darüber, ob Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer in der Impfpriorisierung weiter nach oben rutschen dürfen oder nicht. Halten Sie es für richtig, dass genau darüber hier im Deutschen Bundestag gesprochen wird, und glauben Sie, dass das von Ihnen vorgelegte Gesetz eine entsprechende Einstufung erlaubt?

Vielen Dank.

(Christian Dürr [FDP]: Sehr gute Frage!)

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie diese Fragen stellen. Das gibt mir Gelegenheit, das ausführlicher zu beleuchten. – Genau darüber diskutieren wir heute.

(Enrico Komning [AfD]: Beantworten Sie doch mal die Frage!)

Ja, nun hören Sie erst mal zu! – Wir legen im Infektionsschutzgesetz die Impfziele fest, die wir schon im SGB V festgelegt haben. Das heißt, wir haben jetzt zwei komplementäre Regelungen, die genau sagen – die Ständige Impfkommission eruiert das wissenschaftlich –, um welche Ziele es geht. Mit diesen Grundlagen, die klar und präzise sind, aber – das will ich auch sagen – die natürlich auch die notwendige Flexibilität lassen, um etwa auf Mutationen von Viren zu reagieren und Anpassungen vorzunehmen, schaffen wir den entsprechenden Rahmen.

(Christian Dürr [FDP]: Sie entscheiden über die Impfreihenfolge, Herr Kollege?)

Damit entsprechen wir in allerbester Weise dem, was das Grundgesetz uns in Artikel 80 vorgibt. Den Rahmen – die wesentlichen Entscheidungen – setzen wir als Parlament, aber wenn es um die konkrete Ausgestaltung geht, um die flexiblen Regelungen, einfach weil man auch schnell sein muss, das macht die Exekutive. Deswegen debattieren wir heute darüber, und genauso legen wir es dann im Infektionsschutzgesetz und im SGB V fest. Deswegen ist verfassungsrechtlich in gar keiner Weise zu beanstanden, was wir hier heute machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Von der FDP kommt oft, Frau Kollegin, dass man hier ein Abnickorgan sei. Sie fokussieren sich auf die Ministerpräsidentenkonferenz. Natürlich, liebe Grüne, ist die Ministerpräsidentenkonferenz keine verfassungsrechtliche Institution. Sie ist im Grundgesetz nicht vorgesehen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke für die Richtigstellung!)

Aber ich will nur sagen: Sie spielen darauf an, dass es dort keine demokratische Legitimation geben würde. Diejenigen, die in der Ministerpräsidentenkonferenz sitzen, sind alles demokratisch gewählte Ministerpräsidenten. Natürlich haben die auch eine demokratische Legitimation. Deswegen geht der Vorwurf, den Sie erheben, schon von vornherein in die falsche Richtung.

Ich will noch einmal sagen: Das, was in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen wird, muss in den Ländern umgesetzt werden, und das wird umgesetzt auf der Grundlage der Regelung, die wir hier im Deutschen Bundestag beschlossen haben. Der § 28a Infektionsschutzgesetz ist die richtige Grundlage, und diese Grundlage ist ein klarer und auch verbindlicher Rahmen. Wir haben das in den letzten Wochen und Monaten gesehen: Es gibt Gerichte, die sich sehr genau anschauen, ob die Maßnahmen, die in den Ländern ergriffen worden sind, der Grundlage, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat, entsprechen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Der Rechtsstaat funktioniert!)

Und die Gerichte kassieren auch die Regelungen, wenn sie dem nicht entsprechen. Deswegen geht der Vorwurf, wir als Deutscher Bundestag würden nur abnicken, wir würden keine demokratische Legitimation für die Maßnahmen gewährleisten, völlig an der Realität vorbei. Vielmehr haben wir einen klaren, einen verbindlichen Rahmen für die Pandemiebekämpfung gegeben. Deswegen haben diese Maßnahmen auch die demokratische Legitimation, die ganz unmittelbar von der Legitimation des Deutschen Bundestages abgeleitet ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege, die Frau Kollegin Dr. Rottmann würde noch gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):

Oh, Frau Rottmann stellt heute viele Fragen. Selbstverständlich, immer gern, Frau Kollegin.

Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Luczak, dass ich noch eine Frage stellen darf. – Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Kinobetreiber und seit Monaten ist Ihr Kino geschlossen. Die Frage, ob Sie bei 50er-Inzidenz wieder aufmachen dürfen oder bei 35er- Inzidenz oder bei 10er-Inzidenz

(Zuruf von der AfD: Oder bei null!)

ist für Sie eine wesentliche Frage. An welcher Stelle beantwortet der § 28a Infektionsschutzgesetz diese Frage?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):

Frau Kollegin Rottmann, § 28a Infektionsschutzgesetz enthält eine abgestufte Regelung. Wir haben uns darüber oft im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages aus- getauscht. Deswegen weiß ich, Sie kennen die Regelung und wissen, dass in Absatz 3 die verschiedenen Inzidenzwerte angesprochen werden: die 50er-Inzidenz und auch die 35er-Inzidenz. Natürlich können wir als Deutscher Bundestag nicht jede kleinteilige Regelung in ein solches Gesetz schreiben.

Ich habe es gerade schon aufgezählt. Wir brauchen zweierlei: Wir brauchen auf der einen Seite einen klaren und verbindlichen Rahmen, der die wesentlichen Entscheidungen und die wesentlichen Linien skizziert, und den haben wir mit dem § 28a Infektionsschutzgesetz. Wir brauchen aber auf der anderen Seite natürlich auch die Flexibilität, um auf veränderte pandemische Bedingungen reagieren zu können. Die Regelungen, die wir haben, spiegeln genau diese beiden Pole. Und noch einmal: Das gibt uns eine Grundlage, das gibt den Ländern die Grundlage, auf die pandemischen veränderten Situationen zu reagieren. Deswegen ist es eine gute und eine richtige Regelung, die wir an dieser Stelle haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zusammengefasst: Wir brauchen einen Impfplan!)

Ich habe leider nur noch wenige Sekunden Zeit. Deswegen möchte ich einige wenige Worte zur Impfpriorisierung sagen. Das ist etwas, was wir hier regeln. Natürlich ist die Frage, wie geimpft wird, was geimpft wird, wann geimpft wird und wer geimpft wird, zentral. Da geht es um Leben und Tod. Genau deswegen ist es uns so wichtig,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Uns auch!)

die Impfziele konkretisiert im Infektionsschutzgesetz zu verankern und dass wir klare Leitlinien haben, auf deren Grundlage entsprechende Rechtsverordnungen erlassen werden können. Ich glaube, damit sind wir auf einem guten Weg. Wir haben die wissenschaftlichen Grundlagen der STIKO, die wir zugrunde legen. Insofern kommen wir als Deutscher Bundestag unserer Verantwortung nach und geben den Rechtsverordnungen demokratische Legitimation.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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