Redebeitrag zur Regulierung von Bonitätsauskünften

Ich warte gern noch etwas, wenn Sie mich weiter loben wollen, Frau Präsidentin.

Vizepräsident in Claudia Roth:

Sonntag ist der erste Advent.

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In unserem Land besteht grundsätzlich die im Grundgesetz verankerte Vertragsfreiheit. Mit der hat eine Partei in diesem Haus immer wieder sichtliche Probleme. Lieber Matthias Birkwald, liebe Frau Nastic, heute Nachmittag haben wir hier über die Frage eines Kündigungsschutzes für über 70-jährige Mieter debattiert.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!)

Das klingt toll, das klingt gut, aber das ist bei Ihren Anträgen immer so. Es gibt da immer zwei Seiten der Medaille, eine positive, die verlockend klingt – das ist der Kündigungsschutz für über 70-jährige Mieter –, aber gleichzeitig die Rückseite der Medaille, nämlich die Problematik, dass dann ein 65-jähriger, 67-jähriger, 68-jähriger Mietinteressent gar keinen Mietvertrag mehr bekommen wird.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der kriegt doch heute auch keinen!)

Das heißt ja im Endeffekt: Was immer gut gemeint ist, ist noch lange nicht gut gemacht.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

– Er darf eine Zwischenfrage stellen; ich würde sie zulassen, Frau Präsidentin.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident in Claudia Roth:

Nein, das kann er jetzt nicht. Jetzt reden Sie. Ich weiß schon: Sie wollen wieder mehr Redezeit.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Los geht’s! Sie haben immer noch vier Minuten.

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Herr Kollege Birkwald, auch für euch gilt: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem! – Das heißt: Was immer du tust, handle klug und bedenke das Ende. – Sie sind mit diesem Antrag gerade wieder im Begriff, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Die Vorredner haben bereits zum Teil darauf hingewiesen: Es gibt ja bei der Schufa nicht nur die negative Auskunft. Es gibt ja bei der Schufa nicht nur die Situation, dass ein gesperrtes Konto, ein nicht zurückgezahlter Kredit oder eine offene Mahngebühr dazu führt, dass eine Auskunft negativ ist. Es gibt genauso die Möglichkeit, nichts auf dem Kerbholz zu haben, also keine Probleme, keinen Schufa-Eintrag. Damit schafft man – es wurde von den Kollegen bereits angesprochen – eine Vertrauensbasis, wie es sie in früheren kleinen Gesellschaften, in kleinen Dörfern gegeben hat: Da hat man sich gekannt; da wurde beim Viehhändler noch der Vertrag mit Handschlag besiegelt;

(Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

da kannte man den Vertragspartner. Es gibt aber in unserer heutigen Gesellschaft oft genug anonyme Vertragsverhältnisse: Man kennt den Vertragspartner nicht. Um das Vertrauen herzustellen, gibt es die Möglichkeit, eine Schufa-Auskunft einzuholen. – Frau Nastic wollte mich was fragen, Frau Präsidentin.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde es zulassen.

Vizepräsident in Claudia Roth:

Wollen Sie wirklich was fragen, Frau Nastic? – Gut. Sie lassen es zu?

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Ja, selbstverständlich.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Der Paul! – Mechthild Rawert [SPD]: So kann man ihn auch glücklich machen!)

 

Zaklin Nastic (DIE LINKE):

Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Was sagen Sie denn zu den heutigen Nachrichten, dass die Schufa millionenfach Daten eingekauft hat, mittlerweile auch Kontoauszüge durchleuchten will, damit den Datenschutz massiv verletzt und die Menschen quasi zu gläsernen Bürgern macht? Damit wären der Schufa alle Kontobewegungen bekannt. Auch der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar ist alarmiert und wendet sich massiv gegen das, was die Schufa da gerade macht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Peter Schaar ist kein Linker! Das ist ein Grüner!)

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Danke, Frau Nastic, für die Frage. – Ich bin weit davon entfernt, die Schufa heiligzusprechen. Natürlich: Wo die Schufa arbeitet, können auch Fehler gemacht werden. Es muss unter Datenschutzaspekten geprüft werden, ob die Sammelwut, die manchmal an den Tag gelegt wird, überhaupt begründet und verhältnismäßig ist, ob die zur Zweckverfolgung gewählten Mittel überhaupt sinnvoll sind.

(Unruhe in den Reihen der CDU/CSU)

Vizepräsident in Claudia Roth:

Sind das noch die Reste von der Weindebatte?

(Nicken des Abg. Axel Müller [CDU/CSU])

– Die Weindebatte hat in Ravensburg ihre Spuren hinterlassen.

(Heiterkeit)

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Jetzt bitte ich doch, das Thema ernst zu nehmen. – Noch mal, Frau Nastic: Ich verkenne nicht, dass bei der Schufa auch Fehler gemacht werden. Wenn die Informationen, die ich auch heute Nachmittag der Presse entnehmen konnte, zutreffend sind, dann muss das eingegrenzt werden. Es wurde ja von der Kollegin Rößner vorhin ausgeführt, dass wir natürlich auch bei der Schufa die Einhaltung der Regeln immer wieder überprüfen müssen.

Vielleicht noch was dazu: Die Chancen einer positiven Schufa-Auskunft sind natürlich mindestens genauso groß wie die Risiken oder Probleme, die ein Vertragsanbahnungsinteressent bei einer negativen Auskunft hat. Deshalb lassen Sie uns bitte beide Seiten der Medaille sehen, nämlich auch die Möglichkeit, mit einer positiven Schufa-Auskunft die Basis für eine vertrauensvolle Vertragsanbahnung zu schaffen. Das vermisse ich in Ihrem Antrag komplett. Das heißt, Sie schütten das Kind wieder mit dem Bade aus, und das ist schade.

Es ist, wie gesagt, legitim, dass beide Vertragsparteien Informationen über die jeweils andere Seite einholen und sich informieren, um zu wissen, dass der Vertrag tatsächlich erfüllt werden kann. Es ist tatsächlich so, dass viele wirtschaftlich nicht so begüterte Verbraucher – Mietinteressenten, Kaufinteressenten, Verbraucher, die ein Handy kaufen, einen Handyvertrag oder einen Stromliefervertrag abschließen wollen – davon auch profitieren. Es gibt zwei Möglichkeiten: Der Vertragspartner kann sich durch eine Bankbürgschaft absichern. Die Bankbürgschaft kostet aber Geld. Oder ich kann sagen: Okay, ich lege eine Selbstauskunft der Schufa vor. Ich habe bisher immer meine Rechnungen ordentlich bezahlt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Echt?)

– Nein, das ist jetzt in Anführungszeichen, Herr Kollege Birkwald. – Du kannst mit gutem Gewissen einen Vertrag mit mir eingehen.

Die Chancen für die Verbraucher verkennen Sie in Ihrem Antrag. Mit der Abschaffung der Schufa würden Sie die Situation für die Verbraucher keineswegs verbessern, sondern verbösern. Deshalb wird es Sie nicht wundern: Wir werden den Antrag ablehnen.

Nachdem ich eine so großzügige Präsidentin hinter mir habe, möchte ich meine Redezeit nicht ganz ausschöpfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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