Redebeitrag zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD will heute mit ihrem Antrag das Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Wesentlichen abschaffen. Zur Begründung verweist sie auf die Arbeitslosenzahlen. Der Antrag der AfD, er ist realitätsfern, er ist schlecht begründet, und er ist fachlich falsch, und im Ergebnis würde er auch Deutschland schaden. Aber Deutschland zu schaden – das wissen wir ja mittlerweile –, das ist es, was die AfD möchte; denn – ich darf ihren ehemaligen Pressesprecher noch mal zitieren –: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich weiß nicht genau, wozu Sie heute gesprochen haben, Herr Dr. Curio; aber wenn das eine Rede zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz war, dann darf ich an dieser Stelle festhalten: Zum einen ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erst seit dem 1. März 2020, also seit sieben Monaten, in Kraft. Das ist der Zeitraum, in dem Sie die Rücknahme dieses „völlig überzogenen“ Lockdowns durch die Bundesregierung anmahnen, obwohl der doch dazu führt, dass keiner mehr nach Deutschland kommen kann. Zum Zweiten weiß ich nicht, ob Sie vergessen haben, dass es Ihr Parteivorsitzender, Herr Meuthen, war, der am 19. März 2020 gefordert hat: Deutschland steht vor einer Katastrophe. Shutdown jetzt!

(Marianne Schieder [SPD]: Ja!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das alles zeigt, dass es der AfD auch heute mal wieder nur um eines geht: Vorurteile schüren,

(Marianne Schieder [SPD]: Hetzen!)

- „hetzen“ – und Menschen in Misskredit bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Aber es geht Ihnen von der AfD definitiv nicht um das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das muss überhaupt erst mal evaluiert werden, und dabei müssen auch die Auswirkungen der Coronazeit berücksichtigt werden.

Dass wir aktuell insbesondere keine Pflegekräfte zu uns holen können, ist keine Freude, sondern das ist eine zusätzliche Belastung für Pflegebedürftige und für die zu Pflegenden in Deutschland. Ich werde darauf nachher noch zu sprechen kommen.

Sie haben aber auch einen schlecht begründeten Antrag vorgelegt. Sie verwenden darin völlig veraltete Zeitungsartikel und machen falsche Quellenangaben. Wenn man sich mit Ihrer Drucksache 19/21096 beschäftigt, die in Ihrem Antrag immerhin dreimal als Quelle genannt wird, stellt man fest, dass sich diese Drucksache mit dem R-Wert beschäftigt, aber nichts zur Pflege aussagt. Ich stelle damit fest: Auch nach drei Jahren sind Sie immer noch nicht in der Lage, die qualitativen Mindeststandards an einen Antrag einzuhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Ja!)

Zum Zweiten ist Ihr Antrag aber auch fachlich falsch. Wir haben die Vorrangprüfung nicht ersatzlos aufgehoben. Tun Sie doch nicht immer so, als ob das so wäre. Das ist doch komplett falsch. Wir haben lediglich einen Systemwechsel vollzogen. Früher galt der Grundsatz „Arbeitsverbot mit Erlaubnisvorbehalt“ – das war insbesondere bei Mangelberufen wichtig –, und heute gilt, dass Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis haben, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Aber wir haben einen Verbotsvorbehalt. Das heißt, wir können die Arbeitsaufnahme untersagen, und der Staat kann die Vorrangprüfung in strukturschwachen Gebieten oder für bestimmte Branchen jederzeit wieder einführen, um die dortigen Arbeitnehmer zu schützen. Wir haben also natürlich alles getan, damit wir den Vorrang beibehalten: erst Qualifikation der Menschen in Deutschland, dann die Suche innerhalb Europas und dann Zuzug aus den Drittstaaten. Und das ist auch richtig so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihr Antrag ist insbesondere extrem schädlich für Deutschland. Sie behaupten, die deutsche Wirtschaft braucht keine ausländischen Fachkräfte. Natürlich braucht die deutsche Wirtschaft nach wie vor ausländische Fachkräfte. Der Druck zur Digitalisierung und auch zur Transformation hin zu einer klimaschonenden Wirtschaft lässt wegen Corona gerade nicht nach, sondern er steigt. Wir retten keine Arbeitsplätze in irgendeiner Branche, weder bei VW noch bei Mercedes, indem wir die Einreise von IT-Experten oder Pflegekräften verhindern. Wir brauchen diese Experten. Das bestätigen uns die Arbeitgeber auch heute noch immer wieder.

Jetzt kommen wir mal zu den Pflegekräften. Die Bundesagentur hat noch im Mai festgestellt, dass im Bereich der Altenpflegekräfte nach wie vor ein Mangel besteht. Lediglich in zwei Bundesländern sieht die Tendenz ein bisschen anders aus. Selbst die in Ihrem Antrag genannten Zahlen belegen, dass wir von 2013 bis 2019 einen Anstieg der Arbeitslosenzahl von 1 775 auf 3 037 hatten. Gleichzeitig fehlen aber in Krankenhäusern mehr als 50 000 Pflegekräfte, in Altenheimen über 120 000 Pflegekräfte. Angesichts dessen will ich Ihnen mal ganz ehrlich sagen: Der Antrag, den Sie hier vorlegen, ist ein Witz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist einfach unverschämt und unglaublich, zu behaupten, dass wir in Deutschland keine Pflegekräfte mehr brauchen und dass unser Fachkräfteeinwanderungsgesetz in irgendeiner Weise geeignet ist, irgendjemandem bei uns, der eine Arbeitsstelle sucht, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verweigern. Das ist absoluter Blödsinn.

Ich will Ihnen noch eins sagen: Ihr Antrag ist derart schlecht und populistisch. Wenn ich nicht Ausschussvorsitzende, sondern Lehrerin wäre, dann würde ich sagen: Setzen, ungenügend, mangelhaft! – Absolut bodenlos ist Ihr Antrag.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Zum Glück entscheiden Sie nicht darüber!)

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