Redebeitrag in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 14 des Bundesministeriums der Verteidigung

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in echten Krisenzeiten. Die Coronakrise beschäftigt uns Tag für Tag: Sie beschäftigt jeden Einzelnen von uns persönlich. Sie beschäftigt uns in der Wirtschaft, und sie fordert die Gesundheits- und Sozialsysteme aller Länder weltweit heraus.

Wir sind durch die erste Welle noch gut durchgekommen, aber die zweite Welle kommt, und mit der zweiten Welle kommt eine fulminante Wirtschaftskrise: minus 5,8 Prozent, prognostiziert für dieses Jahr. Damit verbunden ist auch eine Haushaltskrise. Wir diskutieren jetzt über einen Haushalt mit einer Neuverschuldung von 96,2 Milliarden Euro. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Es tut mir fast körperlich weh, für diesen Haushalt am Ende die Hand heben zu müssen, weil ich mal für eine schwarze Null angetreten bin. Meine Damen und Herren, ich weiß, das sind besondere Zeiten. Wir sind in einer Krise, und wir dürfen jetzt nicht sparen, sondern müssen gegen die Krise investieren. Aber die Zeiten der schwarzen Null müssen dringend wiederkommen, und dafür werde ich kämpfen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zurück mit den Nullen! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir hätten da ein paar gute Vorschläge!)

Allein damit wären wir eigentlich schon gut beschäftigt. Aber wenn wir über den deutschen Tellerrand blicken, dann merken wir, dass um uns herum ganz viel passiert, das uns in viel größere Krisen stürzen könnte. Russland beispielsweise hält sich nicht mehr an Grenzen oder irgendwelche völkerrechtlichen Regeln. In Belarus taumelt ein Regime seinem Abgrund entgegen, mit ungewissem Ausgang. In Bergkarabach wird ein eingefrorener Konflikt plötzlich wieder ganz heiß. Mit Griechenland und der Türkei stehen sich plötzlich zwei NATO-Partner in einem sehr ernsten, fast bewaffneten Konflikt gegenüber.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Tolle Wertegemeinschaft!)

Im Nahen und Mittleren Osten gibt es ein Riesenpulverfass – die Konflikte hier aufzuzählen, würde meine Redezeit sprengen –, und in Nordafrika droht eine Kettenreaktion an zerfallenden Staaten. Dazu kommen die systemische Herausforderung durch China und der ungewisse Weg unserer amerikanischen Partner, auch mit Blick auf die NATO.

Wenn ich einen Strich darunter ziehe, meine Damen und Herren, kann ich sagen: Die Anzahl derer außerhalb Europas, die es gut mit uns meinen, ist überschaubar.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Jetzt weine ich gleich!)

Aus diesem Grund tritt in dieser Zeit der vielen gleichzeitig auftretenden Krisen wieder eine Aufgabe des Staates in den Vordergrund, die wir lange Zeit etwas vernachlässigt haben, nämlich die Wahrung der äußeren Sicherheit unseres Landes. Das ist nicht nur Aufgabe der Bundeswehr. Nach mir spricht gleich der Entwicklungsminister;

(Widerspruch des Abg. Thomas Hitschler [SPD])

auch er leistet einen wichtigen Beitrag dazu. Wir haben die zweithöchsten Entwicklungsausgaben der Welt. Wir haben die Mittel massiv aufgestockt. Vorhin ging es um den Einzelplan des Außenministeriums; auch das Ministerium leistet einen Beitrag. Aber wer die Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten wahren möchte, der muss in der Lage sein, sie im Ernstfall auch zu verteidigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und die Verteidigung geschieht heute nicht mehr allein an Land, auf See oder in der Luft, lieber Ingo, sondern genauso im Cyberraum und auch im Weltraum.

Meine Damen und Herren, jetzt bin ich beim Verteidigungshaushalt. Wir führen diese Diskussion ja nicht im luftleeren Raum, sondern in einer konkreten Bedrohungssituation für uns und unsere Bündnispartner. Wir haben gelernt: Der Verteidigungshaushalt wächst leicht auf. Wir kommen dem Ziel, dass wir uns glaubhaft verteidigen können, einen Schritt näher. Aber aus meiner Sicht reicht das bei Weitem noch nicht aus.

Wir führen seit einigen Wochen ja wieder die Diskussion über einen Verschiebebahnhof: Sollen wir neue Flugzeuge kaufen? Nein, kommen vielleicht doch nicht. Nehmen wir dann lieber U-Boote oder Korvetten? Ah, doch lieber neue Panzer. Schwere Transporthubschrauber oder TLVS oder, wie es im Moment aussieht, keines von beiden? – Meine Damen und Herren, zu diesen Entscheidungen werden im Moment, bildlich gesprochen, die Planer im Bundesverteidigungsministerium vom Bundesfinanzminister gezwungen, weil die Decke im Haushalt zu kurz ist. Man kann sie hinlegen, wie man will: Mit einer kurzen Decke kann man vielleicht irgendwie einschlafen, aber man kann in keinem Fall ruhig schlafen.

Weil der Kollege Lindner vorhin über die Priorisierung gesprochen hat: Es ist ja nicht so, dass die Bundeswehr in einem luftleeren Raum „Wünsch Dir was“ spielt. Vielmehr gibt es von der Bundesregierung und jetzt auch gemeinsam mit den europäischen Partnern eine Bedrohungsanalyse. Auf Basis dieser Bedrohungsanalyse gibt es eine Aufgabenverteilung im Bündnis. Es gibt Zusagen darüber, welche Rolle Deutschland hat, welche Aufgaben wir in der NATO übernehmen. Auf dieser Basis gibt es ein Fähigkeitsprofil, und auf dieser Basis gibt es eine Finanzplanung. Diese Finanzplanung sollte Grundlage für unsere Entscheidung im Haushalt sein.

Meine Damen und Herren, seit 2015 haben wir es Jahr für Jahr geschafft, der Bundeswehr immer mehr Mittel zur Verfügung zu stellen und auch das, was sie braucht. Die Trendwenden beim Personal, bei den Finanzen, beim Material wirken. Sie kommen bei der Truppe an. Truppenbesuche laufen heute anders ab als 2014. Natürlich gibt es immer wieder etwas, das fehlt und das nicht in Ordnung ist. Aber das ehrliche Bemühen dieses Parlaments, der Truppe die notwendigen Mittel und das notwendige Material zur Verfügung zu stellen, ist in der Truppe und auch bei unseren Partnern angekommen.

Wir müssen jetzt aufpassen, dass diese Kurve nicht abknickt. Wir sind in einer Krisenzeit. Aber gerade in einer Krisenzeit müssen wir ganz besonders in Vorsorge und in Sicherheit investieren. Dazu leistet die Bundeswehr einen ganz wesentlichen Beitrag. Deswegen bitte ich Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass wir in der Krise auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt nicht an der falschen Stelle sparen. Die falsche Stelle wäre aus meiner Sicht die Sicherheit unseres Landes. Dies ist eine Kernaufgabe unseres Staates. Hier dürfen wir nicht sparen. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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