Redebeitrag zur Nachhaltigkeit von Sozial- und Arbeitsmarktpolitik

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Sitzungswoche steht ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit. Das ist ein wichtiges, sehr interessantes Thema und ein wichtiger Schwerpunkt. Ich muss aber zugeben: Als man mich als Rednerin für die heutige Debatte gefragt hat, ob ich dabei das Argument der Familien- und Gleichstellungspolitik aufgreife, habe ich mich doch zunächst ein bisschen schwergetan, für die heutige Debatte eine Verknüpfung herzustellen: Arbeit im Wandel – die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Bereiche Arbeit und Soziales und die Gleichstellungspolitik.

Ich habe mich zunächst gefragt: Wo ist denn da genau der Zusammenhang? Die meisten von uns denken beim Begriff „Nachhaltigkeit“ natürlich zunächst an Umweltpolitik, Bewahrung der Schöpfung, Erhaltung von Ressourcen. Keine Ressourcen verschwenden, Energien, die man investiert und die in den Kreislauf hineingegeben wurden, nicht verlieren – ja, ich habe ihn doch gefunden, den Anknüpfungspunkt; denn auch unsere Gesellschaft verschwendet in hohem Maße eine ganz wichtige und wertvolle Ressource: die gut qualifizierten Frauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unser Land verfügt über so viele talentierte, in den verschiedensten Bereichen gut ausgebildete und motivierte Frauen. Frauen machen oft das bessere Abitur, zumindest ein gleich gutes, sind in den verschiedenen Ausbildungszweigen gut ausgebildet und im Studium oft sehr gut, oft sogar besser. Wo bleiben denn dann all diese Frauen? Wo sind sie? Man findet sie zumindest nicht in den Chefetagen – hier rede ich nicht nur von der Privatwirtschaft, sondern auch vom öffentlichen Sektor – und leider auch nicht in großer Anzahl in der Politik.

Die Frage ist also: Wo und wann verlieren wir diese Frauen? Klar ist: Eine Frau, die 10 oder 15 Jahre aus dem Beruf ausgeschieden ist, weil sie Kinder bekommen hat und sich um diese kümmern wollte, wird sich schwertun, an diese Arbeitsstelle zurückzukehren, wenn sie überhaupt wieder in ihren Beruf kann. Sie wird sich schwertun, sich schnell weiterzuentwickeln. Sie wird Karrierechancen verpasst haben. Ja, es sind meistens immer noch die Frauen, die im Interesse des Familienlebens zurückstecken. Ja – auch wenn einige es bestreiten –, es gibt die gläserne Decke. Ich habe sie in diesem Haus schon das eine oder andere Mal beobachten können.

Wenn wir als Gesellschaft unsere Frauen nicht verlieren wollen, dann müssen wir an mehreren Punkten ansetzen. Zum einen müssen wir diese gläserne Decke durchbrechen. Es sind zaghafte Versuche gemacht worden: Führungspositionengesetz, Entgelttransparenzgesetz. Ich würde mir auch wünschen, dass alles freiwillig geht, aber dann muss die Wirtschaft endlich einmal liefern. Es müssen nicht 70 Prozent sagen: Wir sind nicht in der Lage, Frauen in den Spitzenpositionen zu finden. Wir brauchen eine Quote null. – Aber auch die Parteien – sie meinen alle, es geht freiwillig – müssen dann liefern. Ich meine damit auch die eigene Partei. Von der FDP oder der AfD will ich gar nicht reden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum anderen müssen wir bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ansetzen. Auch wenn es den einen oder anderen nervt: Das Thema ist essenziell, und es geht nicht von heute auf morgen, aber man muss immer daran arbeiten.

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz von Frau von der Leyen war damals nicht von allen gern gesehen, aber er war wichtig und hat eine Bewegung in Gang gesetzt. Das Gute-KiTa-Gesetz – 5,5 Milliarden Euro für die Verbesserung der Qualität – ist wichtig, auch wenn es nicht von heute auf morgen mit Fachkräften zu lösen ist.

Jetzt kommt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Ich habe wirklich Verständnis für die Gemeinden – ganz, ganz schwer –, aber auch die Gemeinden müssen erkennen: Das ist Infrastruktur. Man muss nicht nur eine Wasserversorgung, eine Gemeindestraße bauen, sondern man muss auch die Infrastruktur für die Kinderbetreuung schaffen, sonst schaffen wir es nicht, die Ressource gut ausgebildete Frauen für uns alle und für sich selbst zu nutzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weitere Themen sind Homeoffice, Aufstiegschancen und Teilzeit. All diese Aspekte sind wichtig für die Frauen. Mir ist aber auch wichtig: Wir haben nichts davon und es ist nicht nachhaltig, wenn wir die Frauen von morgens bis abends einseitig in Arbeit drängen, wenn wir sie kaputtarbeiten. Das ist nicht nachhaltig. Wir gehen von der Frau aus, die frei und selbstbestimmt ist. Wir wollen Frauen, die selbst entscheiden und wissen, wo ihre Potenziale sind, die sie nutzen können, und welche Prioritäten sie in ihrem Leben setzen. Denn auch Care-Arbeit ist Arbeit, ist Ressource. Auch da wird viel weitergegeben. Ich nenne nur ein Beispiel: Kochrezepte. Es gibt eine Generation von vielen Frauen, die nicht mehr kochen kann. Oft waren die Großmütter noch vor Ort und haben die Kinder erzogen. Ich kenne viele junge Frauen, die nicht wissen, was sie machen sollen, wenn das erste Problem mit dem Kind auftaucht. Auch dieses Wissen muss vermittelt, muss weitergegeben werden. Auch das ist Nachhaltigkeit. Dafür muss sich keiner schämen. Auch das ist erlaubt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Männer können manchmal besser kochen als viele Frauen – leider. Auch das ist schade. Ich erlebe das immer wieder. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn viele Frauen nicht kochen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Launert.

Dr. Silke Launert (CDU/CSU):

Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja, es ist spannend mit den Kochrezepten, aber Sie müssen trotzdem zum Schluss kommen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie wollte es eigentlich vorlesen!)

 

Dr. Silke Launert (CDU/CSU):

Da habe ich mich aufgehalten; ich gebe es zu. – Wir wollen, dass die Frauen, die engagiert sind, die gestalten, ihre Potenziale nutzen; denn eines ist klar: Nachhaltigkeit ist viel mehr, als man vielleicht auf den ersten Blick meint.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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