Gesetz zu dem umfassenden Wirtschafts- und Handels-abkommen vom 30. Oktober 2016 zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten andererseits

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das einzig Schöne an der Rede von Katharina Dröge war, dass sie gezeigt hat, dass sie mit Sicherheit den Text des Gesetzentwurfes gelesen hat. Das ist beruhigend, weil wir so zu einer sachlichen Auseinandersetzung kommen können. Sie hat in ihrer Rede viel gesagt. Das lag aber an der Sprachgeschwindigkeit; da sind wir zurück beim letzten Tagesordnungspunkt zur Festschreibung von Deutsch als Landessprache. Aber sie hat nicht so viel zur Sache gesagt, also über das Thema, zu dem wir hier eigentlich reden wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Deshalb möchte ich jetzt zur Sache kommen. Wir reden über CETA. Es ist gut, dass wir darüber reden. Der Ansatz, den Sie hier vorgebracht haben, ist auch gut. Ich will in Erinnerung rufen, dass wir in den langen Verhandlungen eine ganze Menge erreicht haben. Gerade beim Thema Schiedsgerichte – das war ja Ihr Leib- und Magenthema, liebe Katharina Dröge – haben wir viel erreicht, vor allem durch den Druck, den wir als Regierungsfraktionen gemeinsam mit Wirtschaftsminister Gabriel in der letzten Legislaturperiode aufgebaut haben, was wir an die EU-Kommission weitergegeben haben und was dann in TTIP eingeflossen ist. Die Kanadier haben zugesagt, es so zu machen, die Amerikaner haben es nicht gemacht und stehen jetzt etwas dumm da.

Ich möchte insbesondere drei Punkte nennen. Es gibt jetzt ein stehendes Gericht mit professionellen Richtern. Es wurde eine Berufungsinstanz eingerichtet. Die Verfahren sind transparent.

Zum Thema „transparente Verfahren“ will ich sagen: Das, was in CETA und in diesen Schiedsverfahren abläuft, ist deutlich transparenter als das, was in nationalen Prozessen abläuft. In diesen kann man die Gerichtsakten nämlich nicht einsehen, anders als das in Amerika und in Kanada und in ebendiesen Schiedsverfahren der Fall ist.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen De Masi?

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Sie haben gerade doch schon so viel gesprochen, das kann er dann danach.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Ich frage Sie ja, ob Sie das erlauben. Wenn Sie Nein sagen, dann sagen Sie Nein.

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Nein, im Moment nicht. Ich bin gerade in Fahrt und möchte weitermachen. Ich denke gerade an die Rede des Kollegen Ernst. Dazu möchte ich jetzt etwas sagen. Danach kann er fragen.

Deshalb ist es richtig, dass das, was wir erreicht haben, die Blaupause ist nicht nur für den Brexit – hier werden wir über Freihandelsabkommen möglicherweise noch reden müssen – und für andere Schiedsverfahren in vergleichbaren Situationen, sondern dass diese unsere Überlegungen in die Pläne eingehen, auf UN-Ebene einen multilateralen Investitionsgerichtshof zu schaffen.

Jetzt komme ich zu Ihnen, Ihrem Antrag von der linken Seite. Dann können Sie überlegen, ob die Zwischenfrage noch erforderlich ist. In Ihrem Antrag ist eigentlich jeder Satz falsch. Es geht damit los, dass Sie von Exklusivrechten für bestimmte Investoren sprechen. Nein, es geht nicht um Exklusivrechte, es geht darum, eine Verfahrensvereinfachung zu erreichen, damit nicht erst der Investor gegen seinen eigenen Staat und dann der Staat gegen den Gaststaat klagen muss. Das ist gelebte Subsidiarität. Das ist richtig so. Das ist das, was wir wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es geht – zweitens – auch nicht um die Schaffung einer Paralleljustiz; das ist in der Debatte eben auch schon gesagt worden. Zwischenstaatlich gibt es nämlich überhaupt kein stehendes Gericht. Das schaffen wir erst. Deshalb geht es nicht um die Parallele zu irgendwelchen Verfahren. Sie schreiben in Ihrem Antrag, es gehe darum, die Möglichkeit von Klagen und Schadenersatzansprüchen auszuschließen; denn das hätte einen Abkühlungs-, einen Chillingeffekt. Entschuldigen Sie mal, wenn Recht verletzt wird, dann finde ich es richtig, dass dagegen geklagt werden kann. Was wollen Sie denn? Wollen Sie, dass Recht unter Missachtung von Völkerrecht und Abkommen einfach durchgesetzt werden kann? Nein, Rechtsschutz ist richtig. Wir müssen nur über die Ausgestaltung dieses Rechtsschutzes nachdenken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der dritte Punkt. Immer wieder wiederholen Sie, es gehe um die Großkonzerne. Auch das ist falsch. Die Großkonzerne können Niederlassungen gründen. Sie brauchen weder CETA noch andere Freihandelsabkommen. Sie müssen es umgekehrt sehen: Wir brauchen hier eine Unterstützung für die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Genau in diesem Punkt ist CETA gegenüber den bisherigen Abkommen und den bisherigen Investitionsschutzabkommen weiterentwickelt worden. Es geht um unsere Wirtschaft, deren Investitionen im Ausland wir unterstützen, wir fördern wollen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Das sofort. Jetzt hat er ja etwas zu sagen und zu meckern. Das wollen wir uns mal anhören.

(Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Ob er noch etwas zu sagen hat, wird sich herausstellen!)

Klaus Ernst (DIE LINKE):

Das hatte ich vorher auch schon.

Ich habe eine ganz kurze Frage an Sie. Wenn ein bundesdeutsches Unternehmen hier investiert, kann es auch durch staatliche Willkür oder Ähnliches Nachteile haben. Das deutsche Unternehmen muss den deutschen Rechtsstaat bemühen und kann gegen diese Vorgänge klagen. Ein Unternehmen derselben Branche, das nun aus Kanada kommt, muss das nicht, sondern kann einen internationalen Schiedsgerichtshof bemühen, wenn alles so kommt, wie es geplant ist. Können Sie mir sagen, warum Sie ausländische Investoren gegenüber deutschen Investoren bevorzugen wollen?

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Darauf kann ich Ihnen gerne eine Antwort geben; das verlängert meine Redezeit. Sonst hätte ich das noch von mir aus gesagt.

Ich kann Ihnen zunächst einmal sagen: Genau das ist der Grund, warum wir Schiedsgerichte brauchen: weil nämlich latent, immer wieder auch in nationalen juristischen Systemen, eine Voreingenommenheit gegenüber Ausländern besteht.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach so!)

Deshalb haben wir den Europäischen Gerichtshof geschaffen, und deshalb ist gerade Ihre Fraktion so hinterher, dass Minderheiten und Ausländer gegen Diskriminierung vorgehen können. Gerade weil nationale Gerichte dies nicht immer unvoreingenommen machen, brauchen wir eine unabhängige Instanz, die dies überprüft.

Ich zitiere gerne, was der Richterbund in seiner Stellungnahme zu genau dieser Frage sagt:

Nur dort, wo sich unerwartet die Verhältnisse in einem Land so ändern, dass der Investor unverdient rechtlos gestellt wird, kann die Völkergemeinschaft ein Interesse daran haben, einzugreifen.

Das muss von einer neutralen Instanz beurteilt werden, und das kann natürlich nicht der Staat beurteilen, gegen den Sie den entsprechenden Anspruch geltend machen. Genau das ist der Grund, warum wir Schiedsgerichte brauchen.

(Lachen bei der LINKEN)

– Na, stopp!

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Ich glaube, die Frage ist beantwortet.

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Gerne. – Das ist auch der Grund, warum Sie eben die beiden Zwischenfragen nicht beantwortet haben. Sie haben die Zwischenfragen der beiden Kollegen aus meiner Fraktion und der FDP-Fraktion deshalb nicht beantwortet, weil das eben in beide Richtungen geht. Es geht ja auch darum, deutsche Interessen bzw. die Interessen deutscher Investoren in Kanada und Spanien vor möglicherweise diskriminierenden Akten

(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

– ich sage ja gar nicht, dass das missbräuchlich oder diskriminierend ist – der ausländischen Verwaltung und der ausländischen Justiz zu schützen. Deshalb brauchen wir das. Die entsprechenden Fragen dazu haben Sie aber nicht beantwortet. Ich sage Ihnen, warum: weil Sie die deutschen Arbeitnehmerinteressen bei Ihren Exporten nicht im Blick haben. Das sollten gerade Sie als Linke sich wirklich einmal anhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Dr. Hirte, Sie scheinen sich zu kennen. Frau Dröge hätte auch gerne noch eine Zwischenfrage.

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Das ist nicht die erste Debatte in dieser Sache und mit diesen Beteiligten. – Frau Dröge, ja.

Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Hirte, dass auch ich noch fragen darf. – Meine Frage schließt ein bisschen an Ihren Dialog mit Herrn Ernst an. Sie haben ja gerade erklärt, dass man aus Ihrer Sicht Schiedsgerichte braucht, um der Diskriminierung von ausländischen Unternehmen im nationalen Rechtsrahmen vorzubeugen. Deswegen ist meine Frage: Was halten Sie von dem Vorschlag, die materielle Rechtsgrundlage bei den Schiedsgerichten alleine auf den Klagetatbestand Ausländerdiskriminierung zu begrenzen

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch! Das ist doch Unsinn!)

und weitere Klagetatbestände wie zum Beispiel Fair and Equal Treatment einfach außen vor zu lassen? Denn wenn es nur um die Diskriminierung ausländischer Unternehmen geht, könnte man damit – wie es einige namhafte Juristen, unter anderem Professor Krajewski, der auch die Bundesregierung berät, auch vorschlagen – diesem Tatbestand Rechnung tragen und ansonsten die missbrauchsanfälligen zusätzlichen materiell-rechtlichen Grundlagen einfach weglassen.

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Ich sehe Fair and Equal Treatment und Diskriminierung als zwei Seiten derselben Medaille. Equal Treatment entspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz, und genau dieser Gleichbehandlungsgrundsatz soll für Inländer und Ausländer Anwendung finden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich mache weiter und komme noch einmal auf den Vorschlag der Linken zurück. Er enthält auch Ideen, über die man reden kann. Sie haben zum Beispiel einen weiteren Punkt aus der Stellungnahme des Richterbundes aufgegriffen, indem Sie sagen, wir bräuchten äquivalenten Rechtsschutz vor dem Investor und Abkommen über internationale Rechtshilfe etwa zum Austausch von Informationen. Damit haben Sie recht. Aber – deshalb werden wir den Antrag mit Sicherheit ablehnen – das ist keine Frage, die einen direkten Bezug zu dem Schiedsabkommen zum Investitionsschutz hat, sondern das gehört an eine andere Stelle; das gehört nicht in die Zuständigkeit des multilateralen Investitionsgerichtshofs, den wir etablieren wollen und dessen Einrichtung wir in Anlehnung an CETA entsprechend unterstützen.

Ich darf noch einen anderen Punkt ansprechen: Sie haben ja auch gesagt, es sei nicht in Ordnung, dass wir erst die Personen aussuchen und erst dann das Recht geschaffen wird. Ehrlich gesagt, das ist der Normalfall. Ein Blick auf 2 000 Jahre Rechtsgeschichte zeigt: In der Regel wurden erst die Personen bestellt, die dann das Recht geschaffen haben. Der größte Teil der Welt folgt dem Common Law. Da ist es genau so. Vielleicht sollten Sie auch das einmal nachlesen. Dann merken Sie irgendwann, dass das, was wir gemacht haben, eine gute Sache ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Deshalb werden wir in diese Richtung weitermachen und am Ende ein vernünftiges Abkommen ratifizieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hirte. Sie werden aber gleich noch Gelegenheit haben, Ihren Beitrag fortzusetzen; denn der Kollege De Masi hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. – Ich gebe Ihnen das Wort.

Fabio De Masi (DIE LINKE):

Herr Dr. Hirte, ich betrachte es jetzt einmal als Kompliment, dass Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Ich kann gar nicht aufhören, Ihnen zuzuhören. Deswegen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Deutsche Richterbund sich zwar sehr wohl für internationale Streitbeilegungsmechanismen starkgemacht hat, sich aber sehr explizit gegen die reformierten Handelsgerichte ausgesprochen hat. Ich fände es interessant, zu erfahren, ob Sie da dem Deutschen Richterbund die rechtliche Kompetenz absprechen.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass ich in meiner Zeit als Europaparlamentarier den kanadischen Handelsminister Champagne – nicht zu verwechseln mit Champagner – angeschrieben und danach gefragt habe, ob denn die kanadische Regierung auf der Verankerung dieser Handelsgerichtshöfe bestanden habe und ob sie auch für einen einklagbaren Arbeitnehmerschutz gewesen sei. Er hat mir in einem Brief im Mai 2017 geantwortet, dass die kanadische Regierung erstens bereit gewesen sei, auf die Handelsgerichtshöfe zu verzichten, und zweitens für einen einklagbaren Arbeitnehmerschutz gewesen sei. Die EU war dagegen. Ich möchte Sie fragen, was die Motive dafür waren.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Sie möchten antworten, Herr Hirte?

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Das tue ich gerne.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Bitte.

Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU):

Zunächst einmal hatten Sie gefragt, was ich von der Expertise des Deutschen Richterbundes halte. Ich kann nur sagen: sehr viel. Ich habe mich mit dem Deutschen Richterbund über diese Sache intensiv beraten. Aber beim Deutschen Richterbund merkt man auch, dass er sehr durch die Traditionen des deutschen Rechts geprägt ist. Deshalb habe ich eben darauf hingewiesen, dass international andere Traditionen eine Rolle spielen. Da spielt die Tatsache eine Rolle, dass der größte Teil der Welt nicht von staatlich gesetztem, dem in Parlamenten verabschiedeten Recht geprägt ist – das ist nicht die Tradition der letzten vielen Hundert Jahre –, sondern dort Richterrecht etabliert wurde. Genau diese Tradition ist im Völkerrecht maßgeblich. Das muss sozusagen kompatibel gestaltet sich mit unseren Verhältnissen. Das passt nicht immer zusammen. Wenn Sie aus der falschen Denkecke kommen, dann haben Sie entsprechende Konflikte. Deshalb glaube ich, dass der Deutsche Richterbund in diesem Punkt nicht auf dem richtigen Weg ist. – So viel zum ersten Punkt.

Der zweite Punkt. Ich habe nicht gesagt, dass wir zwingend überall Investitionsschutzabkommen brauchen. Ich habe vielmehr gesagt, warum sie, wenn es sie gibt, gut sind und welchen Zweck sie verfolgen. Wenn Staaten beidseitig, etwa im Verhältnis der Europäischen Union zu Kanada, darauf verzichten, dann ist das ein möglicher Ansatz. Aber Vertreter und Botschafter von Staaten außerhalb der Europäischen Union haben mir in vielen Gesprächen gesagt: Wenn Sie wollen, dass der Handelsaustausch zwischen Kanada und der Europäischen Union gefördert wird – wie es eben hieß, ist das ein zentrales Element unserer Politik –, dann müssen Sie bedenken, dass es europäische Staaten gibt, in denen der Rechtsschutz nicht so funktioniert wie in Deutschland. Kanadische Unternehmen würden dann in manchen europäischen Staaten nicht investieren.

Die Europäische Union hat uns daraufhin gesagt: Wir haben alle Interessen, insbesondere das gesamteuropäische Interesse, in den Blick zu nehmen, nicht nur die Funktionsweise der Gerichte in Deutschland. – Deshalb ist es wichtig für uns, dass wir ein solches System im Interesse von ganz Europa und insbesondere im Interesse der europäischen Staaten etablieren, wo die Gerichte nicht so schnell und perfekt arbeiten wie bei uns.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

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