Rede zu Sanktionen gegen Russland

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über dieses Thema intensiv diskutiert. Mir scheint wichtig zu sein, einen Blick auf den Antragstext der Linken zu werfen. Wenn man den Antrag genau liest, dann findet man einen einzigen klugen Satz. Er lautet, ein gutes Verhältnis zu Russland sei grundlegend für Frieden auf dem europäischen Kontinent. Das ist vollkommen richtig. Die Vorredner sind intensiv darauf eingegangen, was dafür die notwendige Grundlage ist.

Aber Sie schießen auf eine Art und Weise über das Ziel hinaus, die im Grunde genommen inakzeptabel ist. Sie unterstellen der EU, der NATO und den Mitgliedstaaten dieser Organisationen – also auch uns –, Konfliktpartei in der Ukraine zu sein, und insinuieren damit, dass wir Mitverursacher der Herausforderungen und der Probleme in der Ukraine sind. Das ist dreist. Das ist Geschichtsklitterung. Anders kann man das nicht formulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein, was Sie sagen, ist Geschichtsklitterung!)

Ich finde das wirklich bemerkenswert. Ich kann mich einer Äußerung dazu nicht enthalten.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das habe ich mir gedacht!)

Natürlich wirken die Sanktionen nicht nur in Russland, sondern auch bei uns.

(Abg. Armin-Paulus Hampel [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Herr Hampel, ich werde gleich auf Sie eingehen. – Ich erlebe das im eigenen Wahlkreis in Baden-Württemberg, wo es viele Maschinenbauunternehmen gibt, die davon vielfach betroffen sind. Sie haben das Kieler Institut für Weltwirtschaft angesprochen, das darauf hingewiesen hat, dass die deutsche Wirtschaft etwa 40 Prozent der Sanktionskosten des Westens zu tragen hat, während die Wirtschaft in Großbritannien 8 Prozent und die Wirtschaft in Frankreich 4 Prozent zu schultern haben. Das heißt, unsere Wirtschaft leidet unter diesen Sanktionen; das ist vollkommen richtig. Aber wollen Sie deshalb unsere Werte und das Fundament unserer Politik verkaufen? Diese Frage ist doch zu stellen. Herr Hunko, Sie haben die Frage nicht beantwortet – jedenfalls nicht plausibel –, welche Alternativen Sie haben.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hampel?

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Ja, bitte.

Armin-Paulus Hampel (AfD):

Herr Kollege Frei, ich erwähnte gerade das Assoziierungsabkommen, das einen militärischen Part enthält. Ignorieren Sie völlig, dass die NATO und die westlichen Nationen die Ukraine nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch stärker an Europa binden wollten und damit ein Reiz Moskaus schon implementiert war?

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Unsinn!)

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Lieber Herr Hampel, meine Vorredner sind doch intensiv darauf eingegangen, beispielsweise auf das Schlussabkommen von Helsinki und darauf, dass es ein Selbstbestimmungsrecht der Völker gibt und dass die Länder selbst entscheiden, welchen Bündnissen Sie sich anschließen. Es gibt keine russische Einflusssphäre, die wir zu akzeptieren hätten. Die Völker entscheiden, wie sie sich positionieren. Dabei gibt es keine Einflussnahme Europas, des Westens oder Deutschlands,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das haben Sie ganz anders gesehen, als Kuba Raketen aufgestellt hat!)

sondern es gilt das Selbstbestimmungsrecht der Völker, und das respektieren wir – ganz offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde gerne noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. Immer wieder denke ich, dass Deutschlands Sicht auf Russland häufig romantisch verklärt ist und viele Fakten außer Acht lässt. Schauen wir uns einmal die jüngere Vergangenheit an, beginnend mit der Rede von Putin zur Lage der Nation 2005. Da hat er als größte geopolitische Katastrophe des letzten Jahrhunderts den Zusammenbruch der Sowjetunion bezeichnet. Es folgten seine Rede 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz, 2008 der Georgien-Krieg, dann die Annexion der Krim. Später marschierten russische Truppen – oder „grüne Männchen“ – in die Ostukraine ein. Ich könnte mit der russischen Syrien-Politik und vielem anderen mehr weitermachen.

Daran wird doch etwas deutlich, was uns zutiefst beunruhigen muss – vor allen Dingen findet das auch in den nackten Zahlen seine Entsprechung –: Russland hat seit dem Jahr 2000 und erst recht seit 2008 massiv aufgerüstet. Während Russland im Jahr 2000 noch etwa 2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Rüstung und Militär ausgegeben hat, sind es heute 5,3 Prozent, so viel wie kein anderes Land der Erde.

Das wird im Übrigen beispielsweise durch die Großübung „Sapad 2017“ bestätigt. Im Westen Russlands üben 40 000 Soldaten ganz offensichtlich Angriffskriege. In Kaliningrad befinden sich 300 000 russische Soldaten. Weitere 40 000 Soldaten sind im militärischen Westdistrikt. All das sind doch Dinge, die wir berücksichtigen müssen.

Der russische Generalstabschef Gerassimow hat formuliert: Auseinandersetzungen und Konflikte mit zwei Fronten gehören der Vergangenheit an, und die Zukunft liegt in der hybriden Kriegsführung. – Auch dafür gibt es viele Beispiele: der amerikanische Wahlkampf, der französische Wahlkampf, der Hacker-Angriff auf den Bundestag und nicht zuletzt der von Russland finanzierte Zug aus Serbien, der vor einem Jahr nach Mitrovica im Kosovo fuhr und auf dem in vielen Sprachen stand: Kosovo ist serbisch. – Das ist genau die Destruktionspolitik, die versucht, den Westen zu destabilisieren, Europa zu destabilisieren, zwischen die westlichen Länder einen Keil zu treiben. Bei allem Verständnis für offene Gesprächskanäle: Wir können nicht so naiv sein, das völlig zu unterschlagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

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