Rede zur Förderung der Rückkehr syrischer Flüchtlinge

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir debattieren heute den ersten innenpolitischen Antrag der FDP-Fraktion.

(Heiterkeit bei der AfD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Nein, von uns ist der nicht! – Dr. Eberhardt Alexander Gauland [AfD]: Der Antrag ist von uns!)

– Der AfD-Fraktion, Entschuldigung.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

In einer derartigen Premiere steckt eine große Chance. Die Aufmerksamkeit ist groß, und Sie könnten unter Beweis stellen, dass Ihnen tatsächlich an einer ernsthaften alternativen Lösung politischer Problemstellungen gelegen ist. Ich kann Ihnen nur zurufen: Mit diesem Antrag haben Sie diese Chance kläglich vertan.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag ist populistisch, weltfremd, abwegig und – das sage ich ganz deutlich – auch zynisch.

(Beifall der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])

Mit welchem Vertragspartner in Syrien wollen Sie tatsächlich ein Rückführungsabkommen abschließen? Mit Baschar al-Assad? Herr Dr. Baumann, Sie selbst haben ihn als Diktator bezeichnet. An den Händen von Baschar al-Assad klebt das Blut Hunderttausender von Menschen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Saudi-Arabien!)

Nach wie vor tobt in Syrien die aus meiner Sicht größte humanitäre Katastrophe auf unserem Globus. Über die Hälfte der Syrer ist auf der Flucht oder vertrieben. Viele von ihnen sind aus dem Land geflohen. Nach wie vor kämpfen täglich Milizen, Terrormilizen, Rebellen, Oppositionelle und die Freie Syrische Armee mit dem Assad-Regime. Ich sage hier ganz deutlich: Es ist vollkommen abwegig, zum jetzigen Zeitpunkt Rückführungen nach Syrien durchzuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man in Ihrem Antrag liest, dass Sie davon ausgehen, ein Vertragspartner auf syrischer Seite könne glaubhaft versichern, dass die zurückgeführten Personen in sichere Gebiete gebracht, mit dem Nötigsten versorgt, nicht gefoltert und nicht verfolgt werden, dann kann man nur sagen: Das ist Sarkasmus pur.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Mayer, Entschuldigung. Ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung von Herrn Kleinwächter?

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Selbstverständlich, sehr gerne.

Norbert Kleinwächter (AfD):

Ich habe eine Frage an Sie, Herr Mayer, und das wäre auch meine Frage an Frau Amtsberg gewesen. – Sie haben jetzt den Begriff „Rückführung“ verwendet. „Rückführung“ entspricht ja „Abschiebung“. Ich weiß nicht, ob Sie die Formulierungen in dem AfD-Antrag richtig gelesen oder verstanden haben. Darin geht es um ein Abkommen zur Förderung der Rückkehr von syrischen Flüchtlingen, die hierhergekommen sind. Ich glaube, das ändert Ihre Argumentation schon erheblich.

Haben Sie den Unterschied zwischen diesem Rückkehrabkommen und einer Rückführung, mit der Sie argumentieren, tatsächlich inhaltlich erfasst?

(Beifall bei der AfD – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Herr Kollege, ich habe Ihren Antrag sehr intensiv gelesen und mit großem Schaudern zur Kenntnis genommen. Wie ich argumentiere, müssen Sie schon mir überlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen nur deutlich sagen: Seien es zwangsweise Abschiebungen, sei es die Förderung der freiwilligen Rückkehr nach Syrien: Dies ist derzeit völlig abwegig und weltfremd.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch [AfD]: Auch freiwillige?)

Im gleichen Zeitraum, nämlich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres, in dem – das haben Sie geflissentlich übergangen – mehr als 600 000 Syrer freiwillig zurückgekehrt sind, sind 800 000 Syrer wiederum vertrieben worden. Von diesen über 600 000 Personen, die freiwillig in ihr Land oder innerhalb des Landes in ihr Heimatdorf zurückgekehrt sind, sind im Anschluss 10 Prozent sofort wieder vertrieben worden. 40 Prozent davon haben keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Wasserversorgung.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die CDU/CSU-Fraktion benötigt hier keine Nachhilfe. Wir haben natürlich eine klare Auffassung dahin gehend, dass der Flüchtlingsstatus nur so lange anerkannt wird, solange der Fluchtgrund tatsächlich auch gegeben ist.

Natürlich ist es richtig, dass in regelmäßigen Abständen überprüft wird, ob der Fluchtgrund tatsächlich noch vorherrscht, und ich bin dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dankbar, dass es diese Überprüfung sogar vor Ablauf der gesetzlichen Fristen regelmäßig vornimmt. Die Widerrufsprüfungen werden deutlich intensiviert.

Ich bitte aber auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass das europäische Recht klare Vorgaben macht, wenn es um die Feststellung geht, ob sich die tatsächlichen Umstände geändert haben.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Es gibt einen weiteren Frage- oder Bemerkungswunsch aus der AfD-Fraktion. Lassen Sie das zu?

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Gerne, ja.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Bitte.

Jens Maier (AfD):

Herr Mayer, befürworten Sie Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge, die nach Ihrer Aussage ja nur temporär aufgenommen werden sollen?

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, alle hier! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Herr Kollege Maier, ich danke Ihnen ganz herzlich für die Frage, da sie mir die Möglichkeit gibt, auch noch sehr ausführlich auf das Thema Integration einzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mir kommt es hier nämlich wirklich auch in entscheidender Weise darauf an, dass wir deutlich differenzieren.

Der Teil der syrischen Migranten, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtlinge anerkannt sind, sind in unser Land zu integrieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hierfür wird auch sehr viel unternommen; das sage ich ganz deutlich. Allein der Bund gibt in diesem Jahr über 600 Millionen Euro aus, um Integration vor Ort durchzuführen.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtslage!)

Wir sind darauf angewiesen, dass wir den Menschen, die ein Recht auf dauerhaftes Bleiben haben, auch die notwendigen Integrationsmaßnahmen zur Seite stellen.

(Abg. Jens Maier [AfD] nimmt Platz)

– Ich bitte Sie, sich die Antwort bis zum Ende anzuhören und noch stehen zu bleiben, weil ich jetzt nämlich zur Differenzierung komme.

Bei den Personen, die keinen Flüchtlingsstatus haben und nur kurzfristig als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sind, muss man mit Sicherheit differenziert an die Frage herangehen, ob Integrationsmaßnahmen durchgeführt werden sollen und, wenn ja, welche Integrationsmaßnahmen angebracht sind.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ich fordere also zu einer starken Differenzierung auf – gerade auch bei der Frage, für welchen Personenkreis welche Integrationsmaßnahmen der richtige Ansatz sind.

Sie gehen hier aber so vor, dass Sie pauschal populistisch insinuieren, dass die Rückkehr nach Syrien mittlerweile gefahrlos möglich ist. Das halte ich für völlig abwegig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sichere Gebiete!)

Bevor die Frage gestellt wurde, habe ich noch einmal auf das europäische Recht abgehoben. Bei dieser Überprüfung, ob der Fluchtgrund tatsächlich noch vorhanden ist, ist zu evaluieren, ob sich die Umstände dauerhaft und erheblich geändert haben. Eine vorübergehende Änderung der Tatsachen rechtfertigt noch nicht den Widerruf des Flüchtlingsstatus. Deshalb ist es sehr wohl notwendig, dass wir noch eine gehörige Zeit abwarten, um feststellen zu können, ob sich die Sicherheitslage in Syrien tatsächlich nachhaltig, dauerhaft, verlässlich geändert hat. Heute ist mir das bei weitem noch viel zu unsicher und viel zu fragil. Deswegen kann ich für die CDU/CSU-Fraktion nur sagen: Diesem populistischen und völlig weltfremden Antrag der AfD-Fraktion ist eine klare und eindeutige Ablehnung zu erteilen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Eberhardt Alexander Gauland [AfD]: Ob das Ihre Wähler auch so sehen?)

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