Rede zum Entwurf eines Einwanderungsgesetzes

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu diesem Gesetzentwurf kann man nur sagen: alter Wein in neuen Schläuchen.

(Burkhard Lischka [SPD]: Guter Wein! – Weitere Zurufe von der SPD)

Die Debatte über ein Punktesystem ist nun wirklich nichts Neues. Ganz im Gegenteil: Schon bei der Debatte über das Zuwanderungsgesetz vor 15 Jahren hat sich der Deutsche Bundestag über die Sinnhaftigkeit eines Punktesystems unterhalten. Er hat es damals zu Recht verworfen und abgelehnt.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, auch im Juni dieses Jahres haben wir uns auf einen Vorschlag der Grünen hin mit einem Punktesystem beschäftigt. Dabei schwingt immer der Vorwurf mit, Deutschland sei ein unattraktives Zuwanderungsland für Fachkräfte. Das Gegenteil ist der Fall. Die OECD bescheinigt uns, heute eines der modernsten und fortschrittlichsten Zuwanderungsgesetze zu haben. Wir haben insbesondere in den Jahren 2012 und 2013 unser System der Ausbildungs- und Arbeitsmigration grundlegend neu strukturiert. Ich glaube, man kann wirklich mit Fug und Recht behaupten: Deutschland ist ein hochattraktives Zuwanderungsland für Fachkräfte.

Allein im letzten Jahr sind 204 000 Aufenthaltserlaubnisse zum Zwecke der Ausbildung und der Erwerbstätigkeit an Drittstaatsangehörige erteilt worden, und dieser Trend setzt sich fort. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es alleine 65 000 Arbeitserlaubnisse für Drittstaatsangehörige, also für Nicht-EU-Ausländer. Zu dieser schon sehr starken Zuwanderung aus dem nichteuropäischen Ausland kommt die Binnenmigration innerhalb der Europäischen Union, auf die wir keinen Einfluss haben. Allein im letzten Jahr kamen 634 000 Menschen aus den anderen 27 EU-Ländern nach Deutschland, und allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es 153 000 EU-Bürger. Man sieht also sehr wohl, dass unser Zuwanderungsrecht funktioniert und in der Lage ist, dem Bedarf Rechnung zu tragen.

Schauen wir nur einmal auf die EU-Bluecard-Richtlinie. Es ist doch hochinteressant, dass 80 Prozent der in der Europäischen Union erteilten EU-Bluecard-Aufenthaltstitel in Deutschland erteilt wurden. Wir haben hier in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der Zahl der Bluecard-Inhaber zu verzeichnen. Zum 31. März 2015 waren knapp 22 000 Bluecard-Inhaber in unserem Land, Ende Oktober dieses Jahres waren es bereits 58 000 hochqualifizierte Drittstaatsangehörige, die mittels einer Bluecard nach Deutschland gekommen sind.

Wenn Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, hier wieder stereotyp auf das kanadische Modell abheben, dann muss man Ihnen ganz deutlich entgegnen: Die Kanadier haben ihr Punktesystem grundlegend überarbeitet,

(Zurufe von der SPD)

und zwar dahin gehend, dass die erforderliche Punkteanzahl de facto nur erreicht werden kann, wenn ein konkreter Arbeitsplatz nachgewiesen wird. Hier findet sich in Ihrem Gesetzentwurf schon einmal ein ganz konkreter Fehler; denn Sie knüpfen die Zuwanderung nach Deutschland nicht an den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes.

(Andrea Nahles [SPD]: Doch! Lesen Sie mal den Text! – Sebastian Hartmann [SPD]: Wir haben den Gesetzentwurf entsprechend angepasst!)

Wir tun das sehr wohl. Wir von der CDU/CSU wollen, dass eine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt erfolgt und nicht ins Arbeitsamt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen, dass die Arbeitgeber, die Unternehmer, entscheiden, wer für sie der richtige Mitarbeiter oder die richtige Mitarbeiterin ist, und nicht, dass mittels eines hochkomplexen Punktesystems entschieden wird, wer nach Deutschland kommen darf, ohne dass er einen konkreten Arbeitsvertrag in der Tasche hat.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Hallo! Sie haben noch den alten Antrag! – Andrea Nahles [SPD]: Das ist ein alter Antrag! Lesen Sie mal! – Burkhard Lischka [SPD]: Super einfach! Das verstehe ich sogar!)

Apropos „komplex“, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Sie haben ein Punktesystem entwickelt, das mindestens sechs Parameter umfasst. Nach dem in Deutschland geltenden Zuwanderungsrecht ist es im Grunde wesentlich einfacher. Es gibt für hochqualifizierte Fachkräfte aus dem nichteuropäischen Ausland nämlich nur zwei Voraussetzungen, die zu erfüllen sind. Die erste Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium, das einem deutschen Hochschulstudium entspricht. Die zweite Voraussetzung ist ein Mindesteinkommen von normalerweise etwa 50 000 Euro, bei Mangelberufen sogar nur von ungefähr 39 000 Euro. Ich sage dazu mit sehr viel Ernsthaftigkeit: Das ist aus meiner Sicht nur recht und billig. Wir wollen nämlich nicht, dass sich die Wirtschaft oder die Industrie im Wege der Zuwanderung aus nichteuropäischen Ländern billige Arbeitskräfte holt, um die hier ohnehin teilweise sehr angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt noch zu verschärfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Burkhard Lischka [SPD]: Dafür haben wir auch Vorsorge getroffen!)

Wir haben im Grunde genommen ein Zweipunktesystem, und Sie wollen es in ein Sechspunktesystem deutlich verschärfen. Deshalb ist Ihr Modell eine Mogelpackung. Es ist überhaupt nicht dazu geeignet, unser Zuwanderungsrecht, unser Migrationsrecht einfacher zu machen.

Wir haben ein sehr modernes Zuwanderungsrecht, das an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch transparenter und auch besser verständlich gemacht werden muss. Ich bin der festen Überzeugung, dass es richtig ist, dass wir als Union uns sowohl in unserem Regierungsprogramm als auch in unseren jetzigen Überlegungen für eine Modernisierung der Fachkräftezuwanderung starkmachen;

(Dagmar Ziegler [SPD]: Also doch!)

denn nach dem deutschen Aufenthaltsrecht gibt es derzeit über 50 verschiedene Möglichkeiten, aus dem nichteuropäischen Ausland legal nach Deutschland zu kommen. Das ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Sie widersprechen sich innerhalb von drei Sätzen!)

Nebenbei bemerkt ist es generell so, dass deutsches Recht nicht immer ganz einfach ist.

(Andrea Nahles [SPD]: Richtig! Das kann man aber ändern!)

Aber ich glaube, dass es durchaus überlegenswert ist, unser Aufenthalts- und Zuwanderungsrecht leichter lesbar und leichter verständlich zu machen, vor allem auch für kleinere und mittlere Unternehmen.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Und für die CDU!)

Es ist in der heutigen Zeit relativ schwer für einen Handwerker, ein kleines Dienstleistungsunternehmen oder ein kleines mittelständisches Unternehmen, in Südostasien den Fachmann oder die Fachfrau zu suchen, die im Unternehmen benötigt wird. Deswegen sind aus meiner Sicht auch die Verbände sehr stark gefordert; ich denke dabei vor allem an die Außenhandelskammern. Ich sehe aber durchaus auch den Staat bzw. unsere Botschaften und unsere Generalkonsulate gefordert, noch mehr Werbung für unser Zuwanderungsrecht zu machen und unser Zuwanderungsrecht insgesamt leichter lesbar und leichter verständlich zu machen.

Es gibt hier aber schon sehr gute Ansätze. Ich möchte nur das Internetportal „Make it in Germany“ erwähnen. Aber man kann hier zugegebenermaßen noch mehr machen. Das Punktesystem, so wie Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es vorschlagen, ist anachronistisch.

(Andrea Nahles [SPD]: Anachronistisch ist, was Sie da erzählen! – Dagmar Ziegler [SPD]: Sie widersprechen sich alle zwei Minuten!)

Das ist ein Punktesystem von gestern. Wir brauchen ein modernes, zukunftsweisendes Zuwanderungsrecht. Wir haben ein sehr gutes Aufenthaltsgesetz und werden dieses in der laufenden Legislaturperiode weiterentwickeln. Darauf freue ich mich.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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