Rede zur Erhaltung der Stahlstandorte in Deutschland

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der große Erfolg der deutschen Wirtschaft und der große Erfolg auf dem Arbeitsmarkt hängen ganz wesentlich mit unserem starken produzierenden Gewerbe zusammen.

Für die Wertschöpfungskette in unserem Land hat die Stahlbranche als Basisindustrie eine ganz besondere Bedeutung. Mit einer jährlichen Produktion von etwa 42 Millionen Tonnen Rohstahl ist Deutschland die Nummer eins in Europa und weltweit der siebtgrößte Stahlhersteller. Auch die Beschäftigtenzahlen spiegeln dies wider: Direkt in Deutschland sind etwa 85 000 Menschen in dieser Branche beschäftigt – diese Zahl war in den letzten zehn Jahren übrigens relativ stabil –, und in Europa sind fast 320 000 Menschen in der Stahlindustrie beschäftigt. Noch eindrucksvoller wird es, wenn man auf die engen Verflechtungen mit anderen Industriebranchen wie der Automobilindustrie, dem Maschinenbau, der Elektrotechnik, dem Baugewerbe sowie der Stahl- und Metallverarbeitung schaut: Mit rund 3,5 bis 4 Millionen Beschäftigten stehen die stahlintensiven Branchen für zwei von drei Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe. Man kann also sagen: Stahl ist das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft und – das ist schon angeklungen – ein absoluter Innovationsmotor.

Aus genau diesem Grund und wegen des schwierigen Marktumfeldes haben wir in der vergangenen Legislaturperiode zusammen mit der SPD einen Antrag mit dem Titel „Stahlindustrie in Deutschland und Europa stärken“ eingebracht und beschlossen. Wir waren uns einig, dass wir diesen für die deutsche Volkswirtschaft so enorm wichtigen Industriezweig zwingend unterstützen müssen, auch zur Sicherung der Arbeitsplätze in Deutschland.

Noch ein Blick auf den Weltmarkt. China produziert mit rund 800 Millionen Tonnen etwa 50 Prozent des gesamten Weltmarktes. Überkapazitäten führen zu einem Überangebot an Stahlprodukten und damit zu Dumpingpreisen, ganz abgesehen von dem damit verbundenen CO2-Ausstoß. Die Stahlnachfrage in der gesamten EU beläuft sich auf rund 152 Millionen Tonnen. China allein produziert aber in diesem Jahr Überkapazitäten von 330 Millionen Tonnen und überschwemmt den Markt mit Stahl, zumal dieser durch staatliche Maßnahmen verbilligt angeboten wird.

Wir waren uns einig, dass die Stahlindustrie mit Problemen konfrontiert ist, denen wir politisch begegnen müssen. Ziel des Antrags aus dem Frühjahr 2016 war, die Stahlindustrie zu stärken. Drei wesentliche Punkte waren: erstens die EU mit Nachdruck aufzufordern, verstärkt gegen Dumping in China vorzugehen, zweitens bezahlbare Strompreise im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und des Klimaschutzes zu gewährleisten und drittens Anpassungen bei den Regelungen zu den Emissionshandelszertifikaten und zum Benchmark vorzunehmen.

In all diesen Punkten waren wir uns einig, und es hat sich auch einiges getan. Die Europäische Union hat wirksame Maßnahmen gegen unfaires Preisdumping aus China, aber auch aus Russland, Brasilien und anderen Ländern beschlossen. Die EU ermittelt in über 100 Fällen gegen China. 53 Produkte sind mittlerweile mit Strafzöllen belegt. Darüber hinaus hat sich die gemeinsame Verhandlungsgruppe aus Europäischem Rat, EU-Kommission und EU-Parlament auf eine Erhöhung der Zahl der Emissionszertifikate, die energieintensive Unternehmen kostenfrei erhalten, geeinigt. Auch das trägt zur Wettbewerbsfähigkeit bei. Allerdings wäre es auch hilfreich gewesen – Kollege Pfeiffer hat das schon angesprochen –, wenn Bundesumweltministerin Hendricks in den Trilogverhandlungen den Antrag des EU-Parlaments auf eine Befreiung der Kuppelgasverstromung von der EEG-Umlage unterstützt hätte; denn auch dies war eine Forderung unseres gemeinsamen Antrags.

Der vorliegende Antrag der SPD ist in großen Teilen wortgleich zum Antrag aus der vergangenen Legislaturperiode. Er soll eine Weiterentwicklung darstellen, wobei er sich nicht nur um die Stahlindustrie insgesamt dreht, sondern sich vielmehr auf die konkreten Fusionspläne von thyssenkrupp und Tata Steel konzentriert. So nachvollziehbar manche Forderungen auch sind, wäre zunächst über den Sachstand und die Umsetzung unseres gemeinsamen Antrages aus dem Jahr 2016 zu diskutieren. Der vorliegende Antrag stellt zwar einerseits vernünftige Forderungen auf, fordert aber auch Maßnahmen, die nicht in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers gehören.

Aufgabe des Gesetzgebers ist es, für die richtigen wettbewerblichen Rahmenbedingungen zu sorgen, für thyssenkrupp in NRW, aber auch für alle anderen Stahlstandorte in Deutschland. Dabei können und dürfen wir aber nicht in strategische Entscheidungen des Unternehmens eingreifen; der Unternehmenssitz ist so ein Thema gewesen, das schon angesprochen wurde. Wir dürfen auch nicht in die Aufgaben der Tarifpartner, der Gewerkschaften, eingreifen. Im konkreten Fall hat thyssenkrupp übrigens bereits zugesagt – auch das ist eine Forderung aus dem Antrag –, dass die Arbeitnehmer die Montanmitbestimmungsrechte behalten, so wie sie heute sind. Im zuständigen Ausschuss sollten wir deshalb nochmals über den Antrag diskutieren, aber mit dem Fokus darauf: Wofür ist Politik zuständig, wofür sind die Tarifpartner, die Gewerkschaften, zuständig, und wofür ist das Unternehmen zuständig?

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

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