Rede zur Bekämpfung von Kinderehen

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen: Bisweilen hat allein schon die Bezeichnung an mancher Stelle Kritik erzeugt. Ich finde die Bezeichnung eigentlich eher unproblematisch. Wir reden über eine Situation, in der der Rechtsstaat gefragt ist. Die Zahlen sprechen Bände: Im September 2015 waren 1 475 verheiratete Minderjährige im Ausländerzentralregister registriert, davon sage und schreibe 361 unter 14. Im Jahr 2016, Stand 31. Juli 2016, waren es immer noch circa 1 500 Minderjährige. Aber – hören Sie genau hin! – 631 Personen waren unter 14. Ich glaube, wir brauchen ein ganz klares Signal in unserem Rechtsstaat. Dieses Signal muss lauten: Wir dulden in unserem Land keine Kinderehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube im Übrigen auch, dass dieses Signal durchaus in der Bezeichnung zum Ausdruck kommen kann. Dann wird gesagt: Ja, das vorliegende Gesetz schützt gerade die schutzbedürftigen Minderjährigen nicht, weil es ihnen Unterhaltsansprüche und erbrechtliche Ansprüche nimmt; das haben wir gerade gehört. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: In den Fällen, die wir vor Augen haben – da wird eine 12-Jährige mit einem 35-Jährigen im Flüchtlingslager verheiratet –, stellt sich diese Frage doch gar nicht. Es ist ein rein theoretischer Fall. Dort ist keinerlei Vermögen vorhanden, und wir alle wissen, dass auch die unterhaltsrechtliche Fragestellung in den nächsten Jahren hier in Deutschland oder auch in jedem Asylverfahren völlig anders abgebildet wird.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Gefangener Ihrer Klischees!)

Dann heißt es: Sie verstoßen mit Ihrem Entwurf gegen die UN-Kinderrechtskonvention und gegen die Menschenrechtskonvention. – Dazu muss ich Ihnen sagen: Wir haben in der Anhörung – das ist übrigens nicht so eindeutig gewesen, wie gerade geschildert worden ist – von zwei Sachverständigen gehört: Wenn Sie effektiven Kinderschutz haben wollen, wenn Sie effektiven Frauenschutz haben wollen, dann werden Sie den nur über die Nichtigkeitslösung sicherstellen können. – Warum? Weil dort auf das Verfahren zur Aufhebung verwiesen wird. Dazu sagen uns Experten: Das Verfahren dauert leicht drei bis sechs Monate.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Ja, wegen fehlendem Personal!)

In dieser Zeit gilt die Ehe unter Fortbestand aller Rechte und Pflichten fort.

Die Kollegin Keul sagte im Ausschuss, da gäbe es doch die Möglichkeit der vorübergehenden Inobhutnahme.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das ist richtig, Kollegin Keul, bedeutet aber, dass man das in jedem der 631 Fälle, die ich vorhin genannt habe, im Einzelfall prüfen muss.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das heißt, man braucht eine Befragung. Ich will in dem Fall gar nicht davon reden, dass Sie tatsächlich glauben, dabei von einem 12-, 13-, 14-jährigen Mädchen, das eingeschüchtert ist,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau!)

das Angst hat und dem eine Konvention mit auf den Weg gegeben worden ist, eine objektive und ehrliche Schilderung der Situation zu bekommen. Deswegen glauben wir: Der Weg, den wir Ihnen heute vorschlagen, ist genau der richtige.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Deutsche Kinder werden sogar mit drei Jahren vor Gericht gehört!)

Dann kam in der Anhörung: Das ist ein Verstoß gegen die EU-Freizügigkeit. Jemand, der sich in Deutschland niederlassen will und früher eine Kinderehe eingegangen ist, wird abgeschreckt, weil die Ehe sofort nichtig ist. – Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Ich halte auch das für ein erfundenes Argument. Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass jemand sagt: Früher wäre meine Ehe vielleicht nichtig gewesen, aber jetzt muss ich in Deutschland ein Aufhebungsverfahren durchlaufen. Das ist für mich weitaus attraktiver, und deswegen komme ich jetzt nach Deutschland.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein dummes Zeug?)

Es geht heute – das wissen Sie ganz genau – um den Schutz erheblicher Rechtsgüter. Das sind am Ende des Tages Abwägungsentscheidungen. Wir reden über das Kindeswohl. Deswegen glaube ich, dass eine solche Entscheidung am Ende des Tages gerechtfertigt ist.

Ich will gegen Ende noch etwas ganz Wichtiges ausräumen. Da ist in der Debatte in meinen Augen etwas immer wieder falsch skizziert worden. In der Debatte ist immer wieder der Eindruck erweckt worden, dass dieser Gesetzentwurf auch Ehen erfasst, die seit 10, 20, 30 Jahren bestehen, und die Bundesregierung die Nichtigkeit dieser Ehen will. Ich empfehle Ihnen da einen Blick in die Überleitungsvorschriften. Die Überleitungsvorschriften im Entwurf sehen vor, dass die Nichtigkeit dann geheilt wird, wenn der minderjährige Ehegatte am Tag des Inkrafttretens unseres Gesetzes 18 Jahre alt ist

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben Ihren eigenen Ansatz nicht begriffen!)

bzw. wenn die Ehe bis zum 18. Lebensjahr des minderjährigen Ehegatten im Ausland fortbestanden hat. Ich persönlich glaube: Das Signal der Nichtigkeit wirkt. Ich habe wahrgenommen, dass die Anhörung lange nicht so eindeutig war, wie Sie immer glauben machen wollen.

Zur Anhörung noch ein Wort. In der Anhörung saß ein Sachverständiger, der im Zusammenhang mit Kinderehen – liebe Kolleginnen und Kollegen, man mag es kaum glauben – tatsächlich von „Romeo und Julia“ gesprochen hat. Ich sage es immer wieder: Das war der Tiefpunkt meines rechtspolitischen Daseins. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden von Fällen, in denen eine 12- oder 13-Jährige mit einem 30- oder 40-Jährigen verheiratet wird. Das ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht „Romeo und Julia“, und deswegen bitte ich um Zustimmung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

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