Rede zu Kindern das Schwimmenlernen ermöglichen

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles, was die Menschen in Deutschland beschäftigt, ist zu Recht ein Thema hier im Deutschen Bundestag, aber nicht alles eignet sich für parteipolitische Profilierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Man muss auch nicht alles in den Parteienstreit stellen. Ich habe den Eindruck, dass gerade wir im Sportausschuss uns bemüht haben, das Thema sehr sachlich zu diskutieren. Ich habe Sie, Herr Korte, übrigens vermisst; wir hatten eine Anhörung von einer Stunde zu diesem Thema und haben in der Tat gemeinsam mit den Menschen, die sich zumeist ehrenamtlich mit dem Problem beschäftigen, festgestellt, dass wir einen Rückgang der Schwimmfähigkeit in Deutschland feststellen müssen.

Wir haben auch festgestellt, dass Schwimmen kein normaler Sport ist. Man kann die Frage, ob ein Mensch in jungen Jahren Schwimmen lernt oder nicht, nicht mit der Frage vergleichen, ob er Fußball-, Volleyball- oder Hockeyspielen lernt; denn die Auswirkungen, wenn er das Schwimmen nicht erlernt, sind ungleich schwerwiegender und oft im wahrsten Sinne des Wortes lebensgefährlich.

Ich will mich jetzt einmal bemühen, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die davon viel verstehen, weil sie sich täglich damit beschäftigen. Die DLRG hat uns eine Studie zum Stand der Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen übergeben. Schauen wir uns ganz kurz die Zahlen an: Es ist in der Tat beängstigend, dass 41 Prozent der Eltern in Deutschland ihre Kinder als unsichere Schwimmer oder Nichtschwimmer einschätzen. Das ist eine Zahl, über die man schon einmal in aller Ernsthaftigkeit nachdenken muss.

Wenn man diese Zahl auf das Alter herunterbricht, dann stellen wir fest, dass sage und schreibe 58 Prozent der Eltern von Sechsjährigen ihre eigenen Kinder als unsichere Schwimmer oder Nichtschwimmer einschätzen. Fast 60 Prozent der Kinder – das ist in der Tat beängstigend und kann uns natürlich nicht kaltlassen; denn wir tragen Verantwortung für diese Kinder, unabhängig vom Elternhaus und unabhängig von den sozialen Umständen, in denen sie groß werden.

Wir können auch feststellen, dass die Zahl der Todesfälle ansteigt. Im Übrigen steigt nicht nur die Zahl der Todesfälle an, sondern insbesondere die Zahl der vermeidbaren Todesfälle; denn es gibt unterschiedliche Todesfälle im Wasser. Jetzt hat die DLRG sehr sachlich herausgearbeitet, was die Ursachen für die Verschlechterung der Schwimmfähigkeit und den Anstieg dieser schlechten Zahlen sind.

Sie hat erstens festgestellt – dies wurde bereits angesprochen –, dass es um die Umwandlung von Ausbildungsbädern in Spaßbäder geht. Das ist natürlich ein wirtschaftliches Thema und damit ein Problem. Es geht um fehlende Ausbildungszeiten und Wasserflächen sowie Bäderschließungen. Ich erspare mir jetzt den parteipolitischen Diskurs. Ich will Ihnen nur sagen, Herr Korte: Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat gerade das größte Bad in meinem Wahlkreis in Reinickendorf geschlossen, weil eine Einmalinvestition von 1,7 Millionen Euro nicht zur Verfügung steht. Private wollten das Bad betreiben. Aber die Wasseraufbereitungsanlagen und einige technische Dinge mussten neu gemacht werden. Gleichzeitig gibt man Geld für Tempo-30-Zonen und Unisextoiletten aus. An dieser Stelle sollte man einmal über die politische Schwerpunktsetzung nachdenken. Ob das eine allen nutzt, weiß ich nicht, das andere wäre sicherlich hilfreich.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt machst du auch gerade Wahlkampf! Ich habe dich neulich auf einer Unisextoilette gesehen!)

Der zweite Punkt hat etwas mit den Bundesländern zu tun. Hier geht es um die Schulen. Die DLRG stellt einen massiven Stundenausfall im Schulschwimmen fest. Wir stellen fest, dass die Qualität des Schulschwimmens deutlich abnimmt. Das liegt im Wesentlichen daran, dass dort circa 50 Prozent fachfremdes Personal eingesetzt wird. Auch hier könnte ich wieder mit Verweis auf Berlin sagen: Kein Wunder! Wenn man die Lehrer nicht verbeamtet, dann gehen die guten Leute in andere Bundesländer, und man muss auf fachfremdes Personal zurückgreifen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Berlin ist kein Wahlkampf! Erst in fünf Jahren! – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein verbeamteter Lehrer ist nicht automatisch ein Schwimmlehrer! Das hat mit der Verbeamtung nichts zu tun! Das ist doch absurd!)

Mittlerweile ist ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer in Berlin nicht für das Lehramt ausgebildet; auch darüber muss man einmal nachdenken. Hier ist der Schwimmsport nur die Spitze des Eisberges.

Im Übrigen ist Schulschwimmen in vielen Bundesländern im Lehrplan zu spät vorgesehen; auch das entspricht der Wahrheit. In Berlin beispielsweise findet das Schulschwimmen in der dritten Klasse für die Neun- und Zehnjährigen statt. Zu diesem Zeitpunkt ist vielen Kindern bereits etwas widerfahren. Hier müsste der Lehrplan entsprechend verändert werden.

Dritter Punkt. Die DLRG-Analyse zeigt, dass der Anteil der Ausländer, die nicht schwimmen können – insbesondere bei Mädchen –, ein Problem darstellt. Wir können nur dankbar sein, dass das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2016 sehr klar entschieden hat, dass ein muslimisches Mädchen sich nicht vom Schwimmunterricht befreien lassen darf mit der Begründung, sie wolle nicht gemeinsam mit Jungen schwimmen und sei auch nicht bereit, im Burkini am Schwimmen teilzunehmen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass du den Kulturkampf machst, war mir klar!)

Hier hat das Verfassungsgericht für Klarheit gesorgt und deutlich gesagt: Die Teilnahme am Schwimmunterricht ist zumutbar. Kinder in Deutschland haben unabhängig von Religion und Geschlecht am Schwimmunterricht teilzunehmen. – Ich will das hier in der Öffentlichkeit sehr bewusst sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der vierte Punkt – diesen will ich nur anreißen – betrifft eine lange Liste der DLRG, aus der hervorgeht, wen man ansprechen muss, um die Schwimmfähigkeit zu verbessern: Eltern, Familie, Kita, Schule, Kultusministerkonferenz, Sportministerkonferenz, Wasserrettungsorganisationen und Krankenkassen. Das ist ein Potpourri aus Helfern und Betroffenen, die mitwirken müssen, damit es in Deutschland besser wird. Beim Stichwort „Bundestag“ steht schlicht und ergreifend – wir haben das nachgefragt; Kollege Mutlu war zugegen –: Wertekatalog der Gesellschaft ändern. – Das ist die Zuständigkeit des Bundes aus Sicht der Betroffenen. Aber die Verantwortung liegt bei Ländern und Kommunen. Wir sollten anmahnen, dass sie dort auch wahrgenommen wird. Wir diskutieren darüber und verweisen gerne auf den Wertekatalog der Gesellschaft. Aber schuld ist nicht die Bundesregierung, sondern schuld sind – wenn überhaupt – Länder und Kommunen. Alle gemeinsam sollten wir dafür sorgen, dass kein Kind in Deutschland stirbt, weil es nicht schwimmen kann.

(Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Das war der einzig richtige Satz, den er gesagt hat!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb sollten Sie sich nicht hinter Zuständigkeiten verstecken!)

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