Gerda Hasselfeldt im Interview mit dem Straubinger Tagblatt über Griechenland, Mindestlohn und Erbschaftsteuer

Straubinger Tagblatt: Frau Hasselfeldt, das Referendum in Griechenland ist überraschend deutlich ausgefallen. Wie geht es jetzt weiter?  

Hasselfeldt: Wir erleben in Griechenland ein Drama erster Güte. Es ist erschütternd, wenn Populismus über Vernunft siegt. Vor uns und den Menschen in Griechenland liegen schwierige Wochen. Die Verantwortung für diese Situation trägt allein die griechische Regierung. Nur bei konkreten, glaubwürdigen und belastbaren Reformen kann es noch einen Ausweg aus dieser äußerst verfahrenen Situation geben. Andernfalls wird sich ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro nicht verhindern lassen. Grundsätzlich gilt: Hilfen kann es überhaupt nur bei konkreten Reformen geben. Es ist gut und wichtig, dass der Deutsche Bundestag bei den weiteren Schritten eng eingebunden ist.

Straubinger Tagblatt: Wie sehr sorgen Sie sich um die Zukunft und die Stabilität des Euro?

Hasselfeldt: Überhaupt nicht. Ein Gutes hat die Krise in Griechenland: Die Grundprinzipien Solidarität gegen Solidität, Unterstützung nur bei Gegenleistung, sind mittlerweile einhellige Meinung aller Eurostaaten. Die Währungsunion ist in den vergangenen Monaten eher stärker als schwächer geworden.

Straubinger Tagblatt: Beim Streit um den Bau von Stromtrassen hat der Freistaat zwar zwei Trassen nicht verhindern können, aber immerhin Verbesserungen erreicht. Wo wird Bayern umgekehrt im Zuge der Energiewende Zugeständnisse machen müssen?

Hasselfeldt: Wir haben nicht nur Verbesserungen erreicht, besser hätte der Kompromiss für Bayern nicht sein können: Es wird keine „Monstertrassen“ geben, sondern künftig gilt in ganz Deutschland Priorität für Erdverkabelung. Das ist eine Zeitenwende. Außerdem bekommt Bayern weitere Gaskraftwerke als Reserve. Dies ist ein Erfolg auf ganzer Linie. Mit der Einigung kommt die Energiewende einen großen Schritt voran. Der Kompromiss war nur möglich, weil alle Verständnis für die berechtigten Interessen der anderen hatten. Der Energiekompromiss ist ein Paradebeispiel für guten Interessenausgleich.

Straubinger Tagblatt: Warum sperrt sich Bayern so gegen die Zwischenlagerung von Atommüll? Schließlich hat Bayern jede Menge von diesem strahlenden Abfall produziert.

Hasselfeldt: Bayern sperrt sich nicht. Wir wollen nur ein vernünftiges Verfahren. Es kann nicht sein, dass die Bundesumweltministerin solche Entscheidungen per ordre de muffti durchsetzen will. Wie und wo Atommüll gelagert wird, kann nicht über die Köpfe der Länder hinweg entschieden werden. Das hat jetzt auch Frau Hendricks eingesehen. Nun wird es ein geordnetes Verfahren geben, bei dem die Länder eng eingebunden sind. Im Übrigen: Bayern wird seiner Verantwortung in diesem Zusammenhang mehr als gerecht. Bayerische Kernkraftwerke haben einen wichtigen Anteil an der Energieversorgung Deutschlands. Bayern trägt damit schon seit Jahrzehnten eine besondere Belastung.

Straubinger Tagblatt: Beim Mindestlohn hat Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erste Zugeständnisse gemacht. Dennoch bleibt eine hohe bürokratische Belastung. Was wollen Sie noch erreichen?

Hasselfeldt: Wir bleiben beim Mindestlohn natürlich am Ball, das Thema ist noch nicht erledigt. Ich freue mich, dass wir die Mindestlohn-Bürokratie in einem ersten Schritt entschlacken und Aufzeichnungspflichten deutlich lockern konnten. Für Familienangehörige beispielsweise besteht gar keine Dokumentationspflicht mehr. Das ist zum Beispiel im Handwerk und  im Gastgewerbe extrem wichtig. Wir sehen allerdings noch weiteren Korrekturbedarf zum Beispiel beim Ehrenamt, der Nachunternehmerhaftung und auch bei den Zeitungszustellern.“

Straubinger Tagblatt: Und die Erfolgsaussichten?

Hasselfeldt: Wie man sieht, lohnt es sich, unnachgiebig und standhaft zu sein. Nur, weil die CSU keine Ruhe gegeben hat, sind Korrekturen vorgenommen worden. Deshalb bin ich optimistisch,  dass wir in den kommenden Monaten noch weitere Verbesserungen erreichen werden.

Straubinger Tagblatt: Unterschiedliche Auffassung vertreten die CSU und  das Bundesfinanzministerium bei der Erbschaftsteuer. Das Kabinett hat den Vorschlägen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits zugestimmt. Die CSU will noch Nachbesserungen erreichen. Was stört Sie denn so?

Hasselfeldt: Familienunternehmen und Handwerksbetriebe sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Dieses Rückgrat müssen wir bestmöglich schützen. Unternehmen dürfen durch die Erbschaftsteuer nicht in ihrer Substanz gefährdet werden. Sonst gehen Arbeitsplätze verloren und Unternehmen verlagern sich ins Ausland. Uns gehen deshalb die Regelungen, die den besonderen Bedürfnissen von Familienunternehmen und Handwerksbetrieben Rechnung tragen sollen, nicht weit genug. Hier muss es noch Änderungen geben. Außerdem brauchen wir eine realitätsgerechtere Bewertung von Unternehmensvermögen.

Straubinger Tagblatt: Warum haben dann die drei CSU-Minister – trotz Protokollnotiz – überhaupt zugestimmt?

Hasselfeldt: Wir sind bei der Erbschaftsteuer auf einem guten Weg, alles Weitere werden wir im parlamentarischen Verfahren regeln. Es freut mich, dass wir uns für den Kabinettsbeschluss in der Koalition bereits auf einige wichtige Änderungen insbesondere für Familienunternehmen und kleine Handwerksbetriebe verständigen konnten. Ohne die CSU wären diese Verbesserungen nicht erreicht worden.

Straubinger Tagblatt: Bei der Neuregelung der Länderfinanzbeziehungen hat Bayern ebenfalls andere Vorstellungen als viele andere Länder. Diese werden kaum auf das Geld aus Bayern verzichten wollen. Mit welchen Argumenten wollen Sie sich durchsetzen?

Hasselfeldt: Im jetzigen System wird den Ländern jeder Anreiz für eine solide Haushaltspolitik genommen. Von jedem Euro, den die Länder durch zusätzliche Anstrengungen einnehmen, wandert ein Großteil direkt in den Länderfinanzausgleich. Diese Art von Gleichmacherei entspricht nicht meinem Verständnis von Föderalismus. Bayern hat in den vergangenen Jahren eine überdurchschnittlich hohe Solidarität im Länderfinanzausgleich bewiesen und ist auch weiter bereit, seinen gerechten Anteil zu leisten. Die Umverteilungsmaschinerie muss aber auf ein gesundes Maß zurechtgestutzt werden. Dies ist im Interesse aller Länder und auch ihrer Bürger. Nur so werden Anreize geschaffen, die eigene Leistung zu steigern und zu einem höheren Wohlstandsniveau für alle zu kommen.

Straubinger Tagblatt: Die Flüchtlingszahlen bleiben weiterhin hoch. Insbesondere Flüchtlinge aus Balkanstaaten drängen in Richtung Deutschland. Absichtserklärungen gibt es viele. Aber wie wollen Sie gerade diesen Ansturm konkret begrenzen?

Hasselfeldt: Etwa die Hälfte der Asylbewerber in Deutschland stammt weiterhin vom westlichen Balkan. Asylgründe können deutlich weniger als ein Prozent der Bewerber geltend machen. Das Grundrecht auf Asyl ist aber kein allgemeines Zuwanderungsrecht. Um den Zustrom vom Balkan zu begrenzen, sollten wir Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten einstufen. Wir sollten für diese Länder wie auch für Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina die Visapflicht wieder einführen, die Asylverfahren noch weiter vereinfachen und abgelehnte Bewerber zügig und konsequent in ihre Heimat zurückführen. Außerdem müssen wir die finanziellen Anreize für einen Asylantrag in Deutschland deutlich reduzieren.

Straubinger Tagblatt: Ihre Partei unterstützt den Vorschlag, schon in Nordafrika europäische Flüchtlingszentren für Menschen zu errichten, die derzeit noch den gefährlichen Weg über das Mittelmeer antreten. Wie soll das funktionieren, wenn sich Europa noch nicht einmal auf eine Quote zur Verteilung der Flüchtlinge einigen kann?

Hasselfeldt: Das Thema ist zu groß und zu wichtig, da darf man nichts von vornherein ausschließen. Asylzentren in Nordafrika oder auch an der europäischen Mittelmeerküste könnten einen Beitrag zur besseren Information und Koordination der Flüchtlinge leisten. Zudem müssen wir weiter auf eine gerechte Verteilung der Lasten in Europa dringen. Die EU hat 28 Mitglieder. Davon muss jeder seinen Beitrag leisten. Mittelfristig führt kein Weg an einer deutlich höheren Aufnahmebereitschaft der anderen EU-Mitgliedstaaten vorbei. Ich baue in dieser Frage sehr auf Vernunft und Einsicht. Europa kann nur gemeinsam stark sein.

Straubinger Tagblatt: Wie beurteilen Sie die Zukunft der AfD?

Hasselfeldt: Der Fall zeigt mal wieder: Eine Partei gründen ist nicht schwer, eine Partei sein dagegen sehr. Es würde mich nicht wundern, wenn die Querelen und Machtkämpfe dazu führen, dass die Partei so schnell wieder verschwindet, wie sie aufgetaucht ist. Ich würde es jedenfalls nicht bedauern.

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